© Stefanie Leo

 

“Es gibt da ein Gefühl, dem wir auf eine gewisse Art und Weise verfallen sind.”

 

Alma wünscht sich weiße Weihnachten, Steffi, ihre Mutter, plant perfekte Weihnachten, auch wenn Gerda, die Oma, immer schon am besten wusste, wie diese auszusehen haben. Fatal ist, dass Andi, Steffis Ehemann, in letzter Minute die Organisation der ganzen Sache in die Hand nimmt und ein Fest der Missgeschicke in Gang setzt. Claudia Jüptner-Jonstorff stellt sich in AUFPUTZT IS’ dem Genre der Weihnachtskomödie – die Vorbereitungen haben begonnen.

 

Die Kinokomödie war in Österreich sehr lange männlich besetzt. Wenn man sich die letzten Jahre anschaut, dann sind einige der erfolgreichsten Komödien im Kino von Frauen inszeniert worden. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

CLAUDIA JÜPTNER-JONSTORFF: Mir hat sich im Jahr 2000 die Chance geboten, von der Regieassistenz in die Regie zu wechseln. Als eine neue Serie, Dolce Vita, am Entstehen war und der Regisseur Erhard Riedlsperger nicht die gesamte Staffel realisieren wollte, ist man an mich herangetreten. Das war mein Einstieg als Regisseurin in eine Serie, die auch das Genre der Komödie bedient hat. Damals war ich die einzige Frau in Österreich, die Serie gemacht hat. Da hat sich inzwischen Vieles geändert. Ich war bei vielen Komödien, die von Männern inszeniert wurden, als Regieassistenz dabei, allen voran mit Harald Sicheritz. Es waren Formate wie KaisermühlenbluesMA 2412 etc. Vor ca. zehn Jahren hat sich die Situation für Frauen in der Filmwelt zu wandeln begonnen. Es wurde der Schritt gesetzt, dass Produktionsfirmen zusätzliche Förderungen erhalten, wenn sie Frauen in Head-Positions engagieren, anscheinend war dies notwendig, um eine Veränderung herbeizuführen. Endlich haben wir Frauen die Möglichkeit, unser Können sichtbar zu machen.

 

Nach dem Erfolg von Griechenland ist nun AUFPUTZT IS Ihr neues Kinoprojekt, das Sie gerade vorbereiten. Es handelt sich dabei um eine Weihnachtskomödie – warum ist dieses Genre so unerschöpflich und auch für eine Regisseurin so reizvoll? 

CLAUDIA JÜPTNER-JONSTORFF: Die Weihnachtskomödie ist als Genre in der Tat unerschöpflich. Das Reizvolle am Weihnachtsfilm ist, dass er immer mit einem gewissen Zauber behaftet ist, egal, ob man den Stoff in eine Komödie oder in ein Drama setzt. Ich finde, dass wir Erwachsene das Christkind oder den Weihnachtsmann immer noch im tiefsten Inneren mit uns herumtragen. Wir machen das in erster Linie wegen der Kinder, aber auch wegen des Kindes in uns. Es gibt da ein Gefühl, dem wir auf eine gewisse Art und Weise verfallen sind. Ganz grundsätzlich betrachte ich Komödie so, dass ihr immer auch ein gewisses Drama innewohnt. Es werden in einer Komödie oft traurige oder tragische Ereignisse so verpackt, dass sie lustig sind. Das ist es auch, was mich an einer Komödie interessiert, auch wenn es das schwierigste Genre beim Filmemachen ist. Menschen zum Lachen zu bringen, sie positiv zu berühren, ist ein großes Anliegen von mir. Ich ziehe vor jeder Person den „berühmten Hut“, die diese Kunst besitzt.

 

In AUFPUTZT IS träumen alle vom perfekten Weihnachtsfest. Steffi, die Frau des Protagonisten ebenso wie ihre Mutter Gerda, obwohl die beiden Frauen sonst völlig konträre Ansichten haben. Die Hauptfigur Andi, bei dem alles schief geht, versucht auch, einen perfekten Weihnachtsabend hinzukriegen. Ist der Perfektionismus, über Weihnachten hinaus, ein Leiden unserer Zeit, über das sich der Film lustig machen will? 

CLAUDIA JÜPTNER-JONSTORFF: Eigentlich sagt man ja, dass Weihnachten die ruhige, besinnliche Zeit sein soll. Diesen Sinn hat es für die meisten Menschen verloren, wenn man bedenkt, dass schon Anfang November mit den Weihnachtsmärkten begonnen wird, da ist allein das wirtschaftliche Interesse im Vordergrund. Das Schöne an unserer Geschichte ist ja, dass es ein Kind gibt, das keinen endlosen Wunschzettel abgibt, sondern das sich wünscht, dass es zu Weihnachten schneit. Das berührt die Seele. Als es Anfang Dezember 2023 ziemlich viel geschneit hat, haben so viele Erwachsene den Wunsch geäußert, wie schön es wäre, wenn es auch zu Weihnachten so sein könnte. Wir haben eine Grundsehnsucht nach einem gewissen Bild von Weihnachten. Ich habe selbst noch den Weihnachtsschmuck einer verstorbenen Tante und trage noch immer ihren Weihnachtsbaum voller kitschigem Schmuck und Süßigkeiten in Seidenpapier in mir. Das war mein Weihnachten. Und das möchte ich auch, unter anderem, in AUFPUTZT IS zeigen.

 

Eine der Inspirationsquellen für das Drehbuch ist ein Kabarettprogramm von Gery Seidl. Worum geht es ganz kurz gefasst in AUFPUTZT IS?

CLAUDIA JÜPTNER-JONSTORFF: Aus dem Kabarettprogramm haben wir ein paar Elemente ins Drehbuch übernommen. Die Geschichte handelt von Steffi und Andi, einem verheirateten Paar, das seine Alltagsprobleme hin- und herschiebt und kurz vor Weihnachten eskaliert die Situation. Steffi hält die ewig nicht gehaltenen Versprechen nicht mehr aus und zieht kurzerhand mit Tochter Alma zu ihren Eltern ins Waldviertel. Andi, völlig verzweifelt, verspricht die schönsten Weihnachten ever zu machen. So nimmt die Geschichte ihren Lauf. Lassen Sie sich überraschen.

 

Insgesamt haben drei Autor*innen am Buch gearbeitet – Regine Anour, Robert Buchschwenter sowie Gery Seidl. Zu welchem Zeitpunkt sind Sie in den Stoff eingebunden worden? Wussten Sie schon früh, dass Sie diesen Stoff inszenieren werden?

CLAUDIA JÜPTNER-JONSTORFF: In diesem Fall war es so, dass der Produzent Florian Gebhardt an mich herangetreten ist und mich gefragt hat, ob ich prinzipiell an einer Weihnachtskomödie interessiert wäre. Ich habe das Drehbuch gelesen, habe mich natürlich ausführlich mit Gery Seidl ausgetauscht und zugesagt. Es gibt in Österreich viele Regisseur*innen, die auch selber ihre Drehbücher schreiben. Ich persönlich schreibe nicht selber, überarbeite jedoch immer das Drehbuch mit den Autor*innen gemeinsam bzw. alleine.

 

Wie sieht da der Arbeitsprozess zwischen den Autor*innen und Ihnen aus?

CLAUDIA JÜPTNER-JONSTORFF: Wir hatten bereits mehrere ganztägige Besprechungen, wo jeder seine Ideen einfließen lässt und die Autor*innen diese in eine weitere Buchversion einarbeiten. Letztendlich wird es näher zum Dreh hin so sein, dass ich mit Gery Seidl gemeinsam – falls aktuelle, uns wichtige Themen aufpoppen – sie noch hineingearbeitet werden. Viele Szenen werden wir auch schon im Vorfeld proben, einige Rollen sind schon gecastet und durch die Schauspieler*innen kommen vielleicht nochmals Anregungen hinzu. Meine Lebensphilosophie lautet: Mehrere Köpfe haben mehrere Ideen, diese gilt es miteinander zu verbinden. 

 

Ich stelle mir Komödie so vor, dass es vom Buch bis zum Dreh einer Szene ein steter Feinschliff ist. Wo beginnt die Feinarbeit, wenn einmal der Plot steht? 

CLAUDIA JÜPTNER-JONSTORFF: Die eigentliche Feinarbeit erfolgt direkt beim Dreh. Es bedarf unglaublich intensiver Vorbereitung, vor allen auch durch Proben. Es ist aber dann beim Drehen so, dass dort oder da plötzlich noch eine Idee geboren wird. Das schätze ich so sehr an unserer kreativen Arbeit. Das allerletzte Feintuning erfolgt dann beim Schnitt. Ich lasse meiner Editorin einen großen Freiraum, da sie oft Situationen von einer anderen Perspektive sieht und dadurch noch einmal ein wunderbarer kreativer Input entsteht.

 

Welche Ideen haben Sie ins Buch von AUFPUTZT IS eingebracht?

CLAUDIA JÜPTNER-JONSTORFF: Mir war es ein Anliegen, ein bisschen mehr Modernität hineinzubringen. Der Film wird erst 2025 ins Kino kommen, da wird z. B. KI schon ein wichtigeres Thema sein als jetzt. Was mir auch am Herzen lag, war, dass die Rolle der Steffi, also Andis Frau und Mutter ihrer gemeinsamen Tochter, mehr Gewicht bekommt. Sie war anfangs mehr im Hintergrund und es wurde uns im Laufe der Arbeit am Stoff allen wichtig, dass eine gewisse Ausgewogenheit herrschen muss, damit man als Zuschauer*in mit einem positiven Gefühl den Figuren folgen kann. Die Zuschauer*innen suchen sich meistens eine Figur aus, mit der sie mitgehen und da hatte ich anfangs den Eindruck gewonnen, dass Gerda, Steffis Mutter, sehr viel präsenter war als Steffi selbst. Das ist jetzt ausgeglichener. Wir begegnen im Laufe der Geschichte vielen verschiedenen Figuren. Die Verkäuferin im Fotogeschäft ist z.B. eine sehr kleine, aber sehr einprägsame Rolle, weil sie sich in einer sehr extrovertierten Sprache zu ihren Themen äußert. Sie ist auch im Laufe dieses Prozesses entstanden.

 

Die Hauptfigur Andi ist in der Bauwirtschaft tätig, Ehemann in zweiter Ehe und Vater einer Tochter – ihm geht alles, was er anpackt oder was man von ihm erwartet, schief. Er ist in einer Abwärtsspirale drinnen, wo man sich als Zuschauer*in irgendwann denkt, was wird ihm denn noch alles passieren? Gibt es einen Punkt, wo man beim Schreiben sagt, jetzt muss Schluss sein, weil er sonst nicht mehr rauskommt? 

CLAUDIA JÜPTNER-JONSTORFF: Andi macht ja alles, was er unternimmt, mit bester Absicht. Ich glaube, darin liegt der entscheidende Unterschied zu einer Figur, die mit böser Absicht, berechnend oder manipulierend handelt. Mit bester Absicht kann man in einer Komödie, meiner Meinung nach, die Spirale endlos drehen. Steffi erkennt ja an sehr subtilen Dingen seine guten Absichten und seinen guten Kern. Warum passiert denn eine Katastrophe nach der anderen? Weil er ständig etwas verspricht und es dann nicht hält bzw. aus zeitlichem Druck, nicht halten kann. Und Steffi hat sich ja selbst auch in eine Spirale begeben. Es war nie ihre Absicht, sich von Andi zu trennen. Es passiert ihr etwas, was uns allen in Auseinandersetzungen passiert, nämlich dass man sich zu weit hinauslehnt und dabei an einen Punkt gelangt, an den man gar nicht hin wollte, dann aber nur schwer zurückrudern kann, ohne das Gesicht zu verlieren oder klein beigeben zu müssen. Steffis Wunsch, dass Andi sein Versprechen hält, begleitet uns durch die Geschichte und ist auch letztendlich der Wunsch von Andi.

 

Wenn viel am Set passiert, dann bedeutet das auch, dass die Schauspieler*innen viel einbringen. Wer vom Cast steht bereits fest?

CLAUDIA JÜPTNER-JONSTORFF: Auf jeden Fall steht der Hauptdarsteller fest: Gery Seidl wird Andi spielen. Bei den anderen Rollen müssen wir noch warten, bis es offiziell ist. Man muss bei Komödien auf alle Fälle mehr proben, weil es um das Timing und die Pointen geht. Was die Schauspieler*innen dann am Set einbringen, ist sehr unterschiedlich, auch weil unterschiedliche Regisseur*innen unterschiedlich arbeiten. Manche wollen das gar nicht. Ich treffe vor jeder Produktion jeden Schauspieler und jede Schauspielerin, weil ich die persönliche Verbindung brauche, um das genaue Gefühl für die Rolle herausarbeiten zu können und weil mir durch das persönliche Gespräch oft noch das „Tüpfelchen am i“ zu der Rolle einfällt. Ich sage allen Darsteller*innen: Der Text ist nicht die Bibel. Ich bin dafür, dass man sich Dialogsätze mundgerecht macht, natürlich darf bei einer Komödie die Pointe nicht verloren gehen. Ich lade alle ein, eigene Ideen einzubringen, bitte gleichzeitig aber auch, nicht gekränkt zu sein, wenn ich sie nicht aufgreife. Diese Offenheit braucht es in meiner Arbeit.

 

In welchen Bereichen stehen bis zum Dreh im Herbst noch intensive Vorbereitungen bevor?

CLAUDIA JÜPTNER-JONSTORFF: Eigentlich in allen Bereichen. Filme machen ist ein ewiger Prozess von Entwicklung – Vorschläge, Ideen der diversen Departments zusammenzuführen, daraus ein Ganzes zu machen. Ich freue mich darauf, mit meinem Kameramann Andy Löv die Bildsprache entstehen zu lassen. Über Kostüm, Maske und Ausstattung das Gefühl von Weihnachten mit all seinen Facetten für die Zuschauer*innen spürbar zu machen.

 

Sie machen viele kürzere Formate für Serien. Worin erleben Sie das Arbeiten für Serie und das längere Kinoformat unterschiedlich?

CLAUDIA JÜPTNER-JONSTORFF: Ich mache in der Tat viel Serie. Eine große Qualität des Kinofilms liegt ganz klar im Faktor mehr Zeit – sowohl in der Vorbereitung als auch im Dreh. Das ist ein großes Geschenk. Es ist schade, dass das im Fernsehfilm und im Serienbereich immer weniger wird. Wie in vielen Bereichen der Arbeitswelt ist es eine wirtschaftliche Entscheidung. Ich bereite gerade SoKo Linz vor, da sind die Arbeitsschritte ganz genau getaktet. In diesem engen Zeitkorsett zählt die Erfahrung sehr viel.

 

Sehen Sie sich in der Perspektive Kino auch einmal ein Drama inszenieren?

CLAUDIA JÜPTNER-JONSTORFF: Absolut ja. Ich kann mir eigentlich alles vorstellen. Mir ist es wichtig, die Menschen in alle Richtungen zu berühren, ihnen die Freiheit zu geben, Emotionen zuzulassen und/oder sie zum Nachdenken anzuregen. Ein Film, den ich vor kurzem gesehen habe und der mich sehr beeindruckt hat, ist Anatomie eines Falls. Solch ein wunderbares, tiefsinniges Dialogbombardement mit so großartigen Schauspieler*innen zu drehen, würde mir sehr große Freude bereiten. Mal schauen, was kommt.

 

Interview: Karin Schiefer

Jänner 2024