„Ich möchte den Kids endlich mal etwas Rockiges, Wildes zeigen.“

Madison hat sich mit ihren zwölf Jahren schon mit Leib und Seele dem Prinzip des Leistungssports verschrieben. Kein Wunder. Ist doch ihr Vater siegreicher Profi-Radrennfahrer, dessen Vorbild sie folgen möchte. Ein Sommer, in dem nicht so alles rund läuft, bringt Veränderung. In Kim Strobls erstem Spielfilm Madison setzen sich zwei Mädchen aufs Rad, um Freiheit und Freundschaft zu entdecken.

Madison ist ihr erster langer Kinospielfilm, für den im Frühjahr 2019 die Dreharbeiten beginnen werden. Davor haben Sie im Bereich der Produktion sehr vielfältige Erfahrung gesammelt, nicht nur fürs Kino, sondern auch für Fernsehen und Werbung. Was hat Sie nun zum Kino und dabei ins Erzählen für junges Publikum geführt? Haben Sie beim aktuellen Angebot im Kinder- und Jugendfilm auch Themen vermisst, die Ihnen ein Anliegen sind?

Kim Strobl: Kino war immer ein ganz wichtiger Punkt in meinem Leben und ich gehe trotz aller bequemen Angebote von Film-Plattformen immer noch sehr gerne ins Kino. Ich selbst fühle mich als Geschichten-Erzählerin. Das hat schon in meiner frühen Schulzeit begonnen und mich nie losgelassen. Kino ist für mich einfach eine Erweiterung vom Geschichten-Erzählen. Es bedeutet für mich – reingehen, sich fallen lassen und sich zwei Stunden lang einer anderen Welt widmen. Das möchte ich mit meinem Spielfilm Madison dem jungen Publikum ermöglichen. Als ich die erste Idee zu diesem Film hatte, habe ich mir noch keine Gedanken zum Zielpublikum gemacht und schon gar nicht an Jugendliche gedacht. Das kam erst später, als mir bewusst wurde, dass ich so einen Film selbst gerne in meiner Jugend gesehen hätte. Ich fühle mich selbst wie ein wildes Naturkind und möchte mit Madison dieses Gefühl weitergeben, und den Kids endlich mal etwas Rockiges, Wildes zeigen. Kinderfilme, die eher im Mainstream liegen, sind oft rund, pink und irgendwie lollipop-mäßig. Aber ich hab zwei tolle Mädchenfiguren in dieser sportlichen, action-geladenen Welt, die den jungen Zuschauern zeigen werden, dass diese Welt nicht Jungs vorbehalten ist, sondern sich Mädchen auch leicht hineintrauen können. Außerdem soll Madison Kindern aus der Stadt zeigen, wie toll Natur sein kein, wie sehr sie ein Ort voller Energie ist, und wie viel Spaß sie bereiten kann.

Ihre Protagonistin Madison möchte in einem männlich konnotierten Sport reüssieren – dem Radrennlauf. Wie kamen Sie auf diesen Sport?

Kim Strobl: Aus meiner eigenen Erfahrung ist mir der Wintersport sehr nahe und es stand für mich auch fest, dass ich zwei verwandte Sportarten in ein Spannungsfeld setzen wollte. Das wäre mit Schilauf und Snowboarden denkbar gewesen. Wintersport ist aber hinsichtlich Dreharbeiten logistisch sehr viel komplizierter. Da ein wesentlicher Teil des Films in Tirol spielt und ich da auch drehen wollte, kam ich auf den Sommer und das hier weit verbreitete Mountainbiken, das in Madison einen Kontrast zum Radrennlauf auf der Bahn und auf der Straße bildet. Ich habe selbst vor drei Jahren mit dem Downhill Mountainbiken angefangen und es hat mir nicht nur riesigen Spaß gemacht, ich konnte auch inhaltlich viel rausholen. Ich habe bei diesem Sport so viel Positives erlebt, sei es, dass man einander bei Pannen geholfen oder Ratschläge gegeben hat, wie man schwierige Passagen am besten meistert. Dieser Sport hat eine sehr hohe soziale Komponente und repräsentiert für mich den idealen Gegenpol zum Leistungsdruck, dem Kinder heute nicht nur im Sport ausgesetzt sind. Es gibt Kinder, die glauben, sich ständig mit anderen messen zu müssen, um Anerkennung zu bekommen. Ich möchte den Kindern als Botschaft mitgeben: „Verschnauf zunächst einmal und überleg dir gut, was du dafür aufgeben möchtest. Willst du das wirklich? Ist es nicht auch wichtig, gute Freunde zu haben?“ Meine Geschichte ist in keiner Weise autobiografisch. Ich bin selbst sehr zielstrebig, fühle mich aber von meinen Figuren her betrachtet Vicky, der Mountainbikerin, viel näher als Madison. Auch ich habe mittlerweile erkannt, dass manche Menschen, die eventuell nicht so konsequent ein Ziel verfolgen wie ich, trotzdem sehr glücklich sind. Ich denke, man muss manchmal die Dinge lockerer betrachten und versuchen, einen anderen Weg zu finden. So ist, glaube ich, die Idee zum Film entstanden.

Ihre Kritik am Leistungssport – was nun die Opfer, die es zu bringen gilt, was die Selbstbezogenheit betrifft, ist sehr evident. Darüber hinaus steht auch eine Emanzipation vom Vater im Vordergrund.

Kim Strobl: Ja, das stimmt. Das war eine erzählerische Entscheidung, zumal es ja eine Wandlung in der Hauptfigur braucht. Außerdem kann man diesen Ansatz auch auf die heutigen Ansprüche in der Schule umlegen. Madisons Vater verkörpert das absolute Leistungsprinzip. Er vermittelt auch, wie wichtig es ist, ständig nach einem noch höheren Limit zu streben. Wenn man das vom eigenen Vater vorgelebt bekommt, ist es noch einmal schwieriger, sich davon zu distanzieren und es zu hinterfragen. Es genügt nicht, dass Madison für sich alleine eine Entscheidung trifft, sie muss es auch noch ihrem Vater beibringen, dass sie nicht weitermachen will und hofft, dass er sie versteht. Der Vater fällt wie aus allen Wolken, nachdem er gedacht hatte, dass er seiner Tochter, wo es nur geht, den Weg ebnet, damit sie auf ihr vermeintliches Ziel zusteuern kann. Es ist auch für den Vater ein großes Erwachen.

Der titelgebende Name Ihrer Protagonistin ist Madison, ein eher ungewöhnlicher Name. Gibt es dazu eine Erklärung?

Kim Strobl: Madison ist eine spezielle Disziplin des Bahnradsports. Madisons Mutter war mit ihr schwanger, als der Vater dieses wichtige Rennen gewonnen hat. Madison hat also einen Namen, der bereits einen Sieg verkörpert. Sie trägt damit noch eine zusätzliche Last.

Was hat es beim Schreiben für Sie bedeutet, sich in die Seele präpubertärer Kinder hineinzufühlen?

Kim Strobl: Ich habe das Drehbuch gemeinsam mit Milan Dor geschrieben, und all die Aspekte, die die Jugendlichen betrafen, sind mir sehr leicht gefallen. Vielleicht auch, weil ich in mir selbst immer noch das Kind sehen kann. Es hat dem Buch auf jeden Fall gut getan, auch die ältere Sichtweise von Milan zu haben. Es war eine sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit, wo wir uns gut ergänzt haben.

Wo habt ihr nach einer guten Darstellerin für die Hauptfigur der Madison gesucht?

Kim Strobl: Wir haben in Deutschland in den Großstädten Berlin, Hamburg, Köln und München gecastet, weil Madison ja auch im Film ein deutsches Mädchen unter den Tiroler Kindern ist. Da wir schon letztes Jahr drehen wollten, hatten wir schon ein „Paar“ für die beiden Hauptrollen Madison und Vicky. Durch die Verschiebung des Drehs ist uns bewusst geworden, dass unsere Kandidatinnen möglicherweise etwas zu jung waren, da ja beim Radsport auch der Eindruck entstehen muss, dass sie ihn schon sehr lange betreiben. Nun haben wir ein Mädchen in Berlin gefunden, die zwar keine Radfahrerin sondern Tänzerin ist – und außerdem sehr sportlich, aufgeweckt und voller Energie. Für die Darstellerin der Vicky haben wir tirolweit geschaut und sind dabei auf ein Innsbrucker Mädchen gestoßen. Für die Mountainbiker würden wir gerne eine kleine Freundesgruppe finden, die zusammengeschweißt ist und den Sport auf einem gewissen Niveau betreibt, sodass wir auch nicht alle Fahrradszenen doubeln müssen. Mir ist Authentizität sehr wichtig, daher hätte ich da gerne auch eine sprachliche, dialektale Färbung drinnen. Es fühlt sich so realer an, als wenn alle gleich sprechen würden.

Madison ist Ihr erster langer Spielfilm. Wie stellen Sie sich auf die Arbeit mit den Darsteller*innen ein?

Kim Strobl: Ich freue mich sehr auf die Arbeit mit den Kindern. Habe auch schon etwas Erfahrung mit Schauspieler*innen bei meinen Kurzfilmen gesammelt. Gerade vor unserem Gespräch war ich auf Besuch bei der Darstellerin, die Vicky spielt. Sie hat mir gerade etwas auf einer Drechselmaschine gezeigt und somit mir etwas beigebracht. Auf diesen gegenseitigen Austausch und ein gegenseitiges Voneinander-Lernen freue ich mich sehr. Die Herausforderung, der ich mich werde stellen müssen, ist mit einer Vielfalt an spielerischen Herangehensweisen ans Set zu kommen. Ich muss wahrscheinlich fünf Ideen haben, weil vier möglicherweise mit den jungen Schauspieler*innen nicht funktionieren. Da werde ich auch viel bei den Proben ausprobieren, damit wir gemeinsam zu den Figuren finden.

Die Darstellung von Sport, insbesondere Leistungssport stellt auch besondere Herausforderungen an die Bildgestaltung. Wie haben Sie da Ihre Vorstellungen definiert und wie gehen Sie an die Kameraarbeit heran? Wie spektakulär sollen die Sportaufnahmen sein?

Kim Strobl: Wir möchten zwei Welten zeigen, die sich auch visuell sehr stark voneinander unterscheiden –  die Rennradwelt, die sich vor allem auf Bahnen abspielt und von der wir nur einen sehr kleinen, fokussierten Ausschnitt zeigen. Bei diesem Sport geht es darum, optimal aerodynamisch unterwegs zu sein, der Blick haftet nur am Hinterrad der Vorderfrau, vom Rest der Welt sieht man überhaupt nichts. Da möchte ich sehr nah an meiner Protagonistin dran sein, man sieht den Schweiß, man spürt die mentale Anspannung in ihr, der Rest der Welt fliegt unscharf an ihr vorbei. Erst als Vicky sie zum Mountainbiken bringt, beginnt sich etwas in ihr zu öffnen: man sieht die Natur, es kommt zu Tierbegegnungen. Ich möchte dieses Freiheitsgefühl vermitteln, dass man alles rundherum wahrnehmen kann. Für die Mountainbike-Bilder stecke ich mir die Ansprüche sehr hoch. Als Referenzbilder denke ich an die von Red Bull, soweit wir uns das leisten können. Jedenfalls denke ich an Drohnen, Cablecams, an ein Action-Team, das auf Fahrradfilme spezialisiert ist, das weiß, was gut aussieht und das exzellente Radfahrer als Doubles hat.

Werden Sie die Naturaufnahmen in erster Linie in Tirol filmen?

Kim Strobl:
 Die Handlung, die in Deutschland spielt, werden wir in Thüringen drehen; das „Tiroler“ Bauernhaus in Bayern, alle anderen Landschaftsaufnahmen werden in Tirol sein. Dort haben wir auch den Bike-Park in Serfaus-Fiss-Ladis. Wir beginnen am 7. Mai zu drehen und sollten zu Beginn der großen Ferien fertig sein. Es hat sich aus verschiedensten Gründen als einfacher erwiesen, in die Vorsaison zu gehen, bevor die Urlauber unterwegs sind und die schönsten Bauernhöfe vermietet sind.

In Ihrem Regiestatement erwähnen Sie, dass Sie mit einer Mutter, die für Gleichbehandlung zuständig war, sehr früh erlebt haben, dass es für Mädchen keine Grenzen gibt, die durch ihr Geschlecht bedingt sind. Was möchten Sie mit Madisons Geschichte transportieren?

Kim Strobl: Wir haben länger darüber nachgedacht, ob wir Fragen wie  – Wie geht es Mädchen in einer Jungen-Domäne? Können sie da überhaupt mithalten? – explizit zu einem Thema machen sollen. Für mich war es immer selbstverständlich, alles machen zu können. Sowohl meine Mutter als auch mein Vater haben mir immer alles ermöglicht und nie die Frage gestellt, ob es für mich als Mädchen eventuell Schranken gäbe. Deshalb will ich genau diese Haltung unhinterfragt in den Raum stellen. Es gibt in Madison zwei coole, starke Mädchenfiguren und die sollen und können sich ganz nach ihrem Belieben ganz einfach beweisen.

Interview: Karin Schiefer
Februar 2019