Im Gespräch mit Kat Rohrer
“Unsere Leben sind diverser als sie im Film dargestellt werden”
Wenn man so wie die Filmemacherin Kat Rohrer nach einer Jugend in Wien zwanzig Jahre in New York gelebt hat, dann kommt es schon vor, dass man den eigenen Ohren nicht traut, welche Fragen eine queere Geschichte hier noch aufwerfen kann. Ihre Komödie WHAT A FEELING entsprang einer Lust auf Heiterkeit und dem Wunsch nach mutigerem Umgang mit Lebensentwürfen außerhalb der Schablone. Im täglichen Hetzen ums Dazugehören laufen zwei Frauen einander zufällig über den Weg und … schlagen eine neue Richtung ein.
Will man das Drehbuch von WHAT A FEELING mit einem Thema überschreiben, dann würde ich Diversität wählen: Die Geschichte berührt Themen wie sexuelle Orientierung, geografische, kulturelle oder soziale Herkunft, Alter…. Könnte man Diversität als Grundanliegen dieser Geschichte bezeichnen?
KAT ROHRER: Ja, es ist mir zum einen ein Grundanliegen. Ich bin aber auch der Überzeugung, dass unsere Leben viel diverser sind, als sie oft im Film dargestellt werden. Ich habe sehr viele diverse Freunde. Ich hab mich keinesfalls an den Schreibtisch gesetzt mit dem Vorhaben, wie ich jetzt eine Geschichte so divers wie möglich machen kann. Fest stand von Beginn an, dass ich mit Proschat Madani, einer sehr guten Freundin von mir, arbeiten wollte. Ich kenne auch ihre Familie seit langem sehr gut, durch sie ist die iranische Komponente in die Geschichte eingeflossen. Und ich wollte auf alle Fälle eine lesbisch-queere Geschichte erzählen, weil solche Geschichten im Kino generell unterrepräsentiert sind. Ein großes Anliegen war mir dabei der queere Aspekt in den verschiedenen Generationen. Es ist etwas ganz anderes, wenn man sich mit 50 outet, oder wenn man das heute unter 20 oder 30 tut. Das ist eine ganz andere Erfahrung. Das weiß ich aus eigener Hand. Für 16- /17-Jährige ist es überhaupt kein Thema mehr, zwischen 20 und 30 ist es leichter, im Alter darüber gibt es verschiedene Abstufungen. Das ist vielen Leuten nicht bewusst. Wir hören viel über Queer oder Trans, es ist immer noch mit einem schwierigen Prozess verbunden, auch wenn sich die Gesellschaft ein bisschen verändert hat. WHAT A FEELING berührt sehr viele familiäre und kulturelle Komponenten.
Vom Titel WHAT A FEELING wird man sofort in die Gefühlssphäre geholt. Stand auch der Wunsch, richtig emotionales Kino zu erzählen, im Vordergrund?
KAT ROHRER: Ich wollte lustiges und emotionales Kino erzählen. Dieses Drehbuch ist während der Pandemie entstanden. Zuvor hatte ich an einem anderen Buch gearbeitet, irgendwann fragte mich meine Produzentin, Daniela Praher, ob ich in der ohnehin schon schwierigen Zeit an diesem dramatischen und schweren Stoff weiterschreiben wollte. Meine Antwort war „Nein“. Ich hatte das Gefühl, dass einerseits den Menschen mehr nach Komödie war, dass aber auch ich selbst etwas zum Lachen nötig hatte. Eine Idee war da und so wollte ich einfach mal das komische Fach ausprobieren. Mein Ziel ist, dass die Leute fröhlich beschwingt aus dem Film rausgehen. Die Weltlage hat sich so verdüstert, dass man gern ins Kino geht, um unterhalten zu werden.
Komödie ist nicht das einfachste Genre, sie lebt von Spannungen und Kontrasten. Wie hat Ihr ungleiches Paar Fa und Marie-Theres Gestalt angenommen?
KAT ROHRER: Ich muss ein bisschen ausholen. Ich selbst bin in Wien aufgewachsen und habe dann 20 Jahre in New York gelebt. Fremd-Sein oder nicht wirklich Hineinpassen waren immer ein Teil von mir. Ich war im Theresianum in der Schule, und obwohl ich recht gern hingegangen bin, hab ich nicht wirklich hineingepasst. Dann war ich in New York, dort war ich insofern anders, als ich als Europäerin eine andere Kultur hatte. Ich musste z.B. lernen, dass Freundschaften dort anders geführt werden als hier. Mir war es wichtig, in meiner Geschichte Leute darzustellen, die in der Wiener Gesellschaft leben, aber nie wirklich hineinpassen. Und ich wollte zwei unterschiedliche Figuren im Mittelpunkt haben: eine, die weiß, wer sie ist, das aber ihren nächsten Menschen nicht sagen kann (wenn auch aus Gründen, die sie sich selbst eingeredet hat) und die andere, die von außen kommt, den „richtigen“ Look hat, um hineinzupassen, es aber aufgrund eines kulturellen und auch feinen sprachlichen Unterschieds dann doch nicht tut.
Sie haben mit Proschat Madani und Caroline Peters zwei Schauspielerinnen gewählt, die etwas von ihrer eigenen Geschichte in die Rolle einbringen. Haben die beiden auch Ihre Figuren inspiriert?
KAT ROHRER: Proschat, die die Rolle der Fa spielt, auf jeden Fall. Vieles von Fas Hintergrundgeschichte basiert auf Proschats Familiengeschichte. Sie hat das Buch immer wieder gelesen, nicht nur auf inhaltliche Aspekte hin, Proschat ist auch eine gute Dramaturgin und hat das Buch immer wieder zerlegt. Woraufhin ich eine Zeitlang immer sauer war, schließlich aber zugeben musste, dass sie Recht hatte. Dann hab ich’s umgeschrieben. Ich habe das Glück, dass viele der Schauspieler*innen, die ich jetzt besetzt habe, gute Freund*innen von mir sind. Wir haben schon sehr früh Leseproben gemacht, an denen Proschat, Barbara Spitz (die die Bigi spielt) und Ines Kratzmüller (die die Susanne spielt) teilgenommen haben. Das hat mir geholfen auch die unterschiedlichen (Alters-)Perspektiven zu sehen. Ich kann die Perspektive einer Barbara, die über 60 ist, nicht kennen, wenn es um ihr Outing geht oder auch nicht die von jemandem, der in den siebziger Jahren aus dem Iran nach Wien geflüchtet ist, das damals noch eine Stadt war, die nicht gerade weltoffen und divers war. Diesen Input habe ich unbedingt gebraucht. Beim Schreiben hatte ich immer Caroline Peters in der Rolle der Marie-Theres im Kopf, kannte sie allerdings nicht und wusste nicht, ob sie sich darauf einlassen würde. Ich hab ihr das Drehbuch geschickt. Sie hat mir ihr Interesse bekundet, wollte mich aber vorher treffen. Zwischen uns beiden hat es gut gepasst, es stand aber noch die wichtige Frage offen, die bei jeder Liebeskomödie entscheidend ist, nämlich die Chemie zwischen den beiden Hauptfiguren. Proschat war als Fixstarterin nicht umbesetzbar. Wir haben dann begonnen, uns zu dritt zu treffen und konnten feststellen, dass wir den gleichen Humor hatten, dass es zwischen den beiden eine gute Chemie gab. Durch die längere Finanzierungsphase ist der engere Austausch zu dritt etwas abgeflaut, weil beide sehr intensiv beschäftigt waren. Wir haben in wenigen Tagen seit längerem wieder zu dritt ein Treffen, wo wir das ganze Drehbuch durchgehen werden.
Sie sind jemand, die als geborene Wienerin Wien bestens von innen kennt, durch die lange Zeit in New York aber auch einen Blick von außen hat. Wien und seine Eigenheiten sind ja auch ein Thema des Films. Was bewirkt es, wenn man diese doppelte Sicht auf einen Ort hat?
KAT ROHRER: Meine Innensicht ist bestimmt von der Zeit, in der ich aufgewachsen bin. Ich war, wie gesagt, im Theresianum, dort ist eine gewisse Klientel. Mit 18 bin ich in die USA gegangen, zunächst für ein Gap-Year, dann wieder zurück und dann doch wieder weg fürs Studium. Wien ist eine positive Stadt, aber die Leute sind manchmal schwierig. Als ich pandemiebedingt hier zwei Jahre festgesessen bin, ist mir bewusst geworden, wie sehr man im gesellschaftlichen Verständnis in manchen Dingen hinterherhinkt, vor allem auch was queere Themen betrifft. Es gibt eine Blase, in der es Verständnis für queere Themen gibt. Wenn man sich außerhalb dieser Blase in eine Alterskategorie von 40/50 begibt, wird ein großer Nachholbedarf spürbar. Ich musste hier Unterhaltungen führen, Fragen beantworten, von denen ich mir nicht gedacht hätte, dass das noch sein kann. So kam zur Figur der Marie Theres z. B. die Frage auf: Wenn sie verheiratet war und jetzt mit einer Frau zusammen ist, ist sie jetzt lesbisch? Die Antwort ist natürlich: Nein, sie hat sich halt in eine Frau verliebt. Es gibt da Schattierungen. Und ich kann sagen, das war eine der unschuldigeren Fragen. Es gab auch andere. Oder ich denke an den Sprachgebrauch, wenn man zu mir sagt: Gehen wir mal in eure Bars. Das ist nur eine Nuance, aber es transportiert ein Ihr und ein Wir. Eine Norm und das Andere. Die Leute meinen das nicht bös, man muss sie aber darauf aufmerksam machen. Als ich in New York gelebt habe, kann ich sagen The least interesting thing about me was that I’m gay. The most interesting thing that I was from Austria. Und hier in Wien ist the most interesting thing who I’m sleeping with. Da ist Nachholbedarf, auch im Geschichten-Erzählen. Es wird gerade besser, aber es ist immer noch nicht so mutig, wie in anderen Ländern.
Es gab letztes Jahr zwei sehr erfolgreiche österreichische Filme mit Geschichten von homosexuellen Männern. Haben Sie das Gefühl, es ist noch einmal etwas anderes, Homosexualität von Frauen zu erzählen?
KAT ROHRER: Ja, das glaube ich schon. Im Prozess des Drehbuch-Schreibens und der Förderung habe ich durch Rückmeldung von außen gemerkt, dass Dinge, die für mich, die ich in dieser Welt lebe, ganz logisch sind, für andere nicht nachvollziehbar sind. Mir wurde klar, dass ich die grundlegenden Dinge erklären muss. Zum Beispiel kam zur Figur der Fa die Rückmeldung: Die ist ja wie ein Mann, weil sie viele Lover hat, das macht sie unsympathisch. Ich fragte mich, warum diese Frage? Haben alle Angst vor der freien Sexualität einer Frau? Warum soll ich das verstecken? Sie macht niemandem etwas vor. Sie hat halt mehrere. Warum taucht hier der Kommentar auf, sie sei wie ein Mann? Ich kann nur sagen: Nein, ist sie nicht. Es kamen auch Vorschläge, die Geschichte ganz anders zu erzählen und zwar ganz klar aus einer männlichen heterosexuellen Perspektive. Da musste ich stark dagegenhalten. Der Grund, warum Fa so viele Affären hat, ist ja der, dass in dem Moment, in dem sie sich öffnet, Gefühle entwickelt und in eine Beziehung geht, das Outing-Thema früher oder später am Tisch ist. Das will Fa aus Selbstschutz um jeden Preis vermeiden.
Die Geschichte hat sehr aktuelle Bezüge, seien es die Ereignisse im Iran, sei es auch die Haltung von Marie-Theres’ heranwachsender Tochter.
KAT ROHRER: Mit einer Hauptfigur, die iranische Wurzeln hat, kann man nicht aussparen, was sich gerade in der iranischen Gesellschaft bewegt. Es sind Ereignisse, die in einer Heimat passieren, aus der sie emigriert sind und von außen die Entwicklungen beobachten müssen in der Hoffnung, doch einmal zurückkehren zu können. Anna, die Tochter von Marie-Theres, hat auch eine wichtige Rolle insofern, als sie ihrer Mutter das Gefühl gibt, dass es ok ist, was sie gerade erlebt. Anna steht auch fürs Dagegen-Sein, das sie in ihrem Alter einfach braucht. Auch wenn man einräumen muss, dass es ein Aufbegehren in der Komfortzone und der Sicherheit dieses Landes ist. Annas Sicht der Dinge hilft Marie-Theres, Fa zu verstehen. Wir glauben alle, dass Outing keine große Sache mehr ist. Jedem, der das glaubt, kann ich nur sagen, es ist immer eine große Sache. Viel schwieriger ist es aber noch für Leute, die aus einem kulturellen Background kommen, in dem Homosexualität überhaupt nicht akzeptiert wird. Das muss keine migrantisch-muslimische Familie sein, das kann in Österreich auch ein streng katholischer oder anderer religiöser Hintergrund sein. Dieses versteckte Leben zu leben ist wahnsinnig anstrengend.
Sie haben Ihr Filmstudium in den USA absolviert und bringen gewiss auch einen andern Zugang zum Geschichtenerzählen. Was fließt davon in WHAT A FEELING ein?
KAT ROHRER: Es ist definitiv ein anglo-amerikanischer Zugang, was ein anderes Geschichten-Erzählen bedeutet. WHAT A FEELING wird kein Arthouse-Film, sondern ein unterhaltsamer People-Pleaser-Film. Er hat keinen anderen Anspruch, als eine Geschichte zu erzählen, die Menschen emotional berührt. Nicht dass das Arthouse das nicht auch tut, ich sage umgekehrt auch nicht, dass mein Film nicht den Intellekt fordert. WHAT A FEELING soll ein Feel-Good-Movie sein.
Gibt es auch im Schreib- oder im Herstellungsprozess Unterschiede?
KAT ROHRER: Schreiben ist für mich ein anstrengender Prozess, damit meine ich in keineswegs das Kreative, sondern das Tippen per se, das durch meine Legasthenie erschwert ist. Ich tu mir auf Englisch leichter als auf Deutsch, das so eine behäbige, mit langen Worten ausgestattete Sprache ist. Für die Teilnahme bei einem Drehbuch-Workshop habe ich das Buch auf Englisch übersetzt. Englisch ist die leichtere Sprache, die vor allem im Dialog Witz und Humor leichter einfließen lässt. Für die Einreichungen habe ich es dann wieder ins Deutsche übersetzt und ich muss sagen, das hat unheimlich viel gebracht. Durch die Übertragung in eine andere Sprache und die Überarbeitung, die damit verbunden ist, wird es augenfällig, wenn ein Satz nicht funktioniert. Es war sehr aufwändig, aber ich glaube, ich werde es jetzt immer so machen.
Beim Dreh werden wir das Set auf amerikanische Art führen, mit first, second and third AD. Der größte Unterschied besteht darin, dass die AD-Abteilung ein eigenständiges Department ist. Sie erstellen den Drehplan, koordinieren Schauspieler*innen, strukturieren die Drehtage und deren Abläufe mit den anderen Abteilungen. Das habe ich mit meiner Regieassistentin Susanne Novotny so entschieden, weil sie auch lieber so arbeitet. Ich sehe keinen großen Unterschied; für mich bedeutet es eine andere Kommunikationskette, eine naheliegende Schnittstelle, die der Regieassistenz mehr Kompetenzen gegenüber der Aufnahmeleitung einräumt. Da ich die meisten meiner bisherigen Filme auch produziert habe, habe ich ein gutes Gefühl dafür, wo man Geld einsparen kann und bin da sehr lösungsorientiert. Das große Ding ist, das Geld zu bekommen, alle weiteren Probleme, die sich in der Folge ergeben, sind Luxusprobleme, die es zu lösen gilt. Da muss man flexibel sein. Produziert wird dieser Film von Praherfilm in Koproduktion mit NGF Geyrhalterfilm. Das ist eine gute Kombination.
Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs liegen die Dreharbeiten noch gute acht Wochen entfernt. Wo stehen gerade die Vorbereitungen?
KAT ROHRER: Diese Woche stehen Casting und Proben auf dem Programm, da Caroline Peters auch noch in einem anderen Film spielt. Ein Besetzungsproblem haben wir noch – die iranische Mutter. Es gibt in dieser Altersgruppe keine professionellen Schauspielerinnen, die in Deutschland oder Österreich leben. Warum auch? Wenn sie in den siebziger oder achtziger Jahren geflohen sind, dann hatten sie nicht den „Luxus“, als Schauspielerinnen arbeiten zu können. Sie sind am Markt nicht präsent. Wir sind nun über Verbindungen in der iranischen Community auf der Suche und hoffen, jemanden zu finden, deren Muttersprache Farsi ist. 26 Drehtage sind für das, was wir vorhaben, sehr knapp. Je mehr wir proben, desto mehr Zeit können wir am Set sparen. Mein Kameramann Michael Schindegger und ich schätzen es beide sehr, genau vorbereitet in den Dreh zu gehen. Ein Teil davon wird in Niederösterreich stattfinden, das Gros in Wien. Ich denke WHAT A FEELING, wird so etwas wie mein verkappter Liebesbrief an mein Wien. Es ist eine wunderschöne Stadt, auch wenn die Leute oft grantig sind, sie sind auch amüsant.
Interview: Karin Schiefer
März 2023