Ute von Münchow-Pohl – Häschenschule 2 – Der große Eierklau
Die Häschenschule – Der große Eierklau ist der zweite Teil nach Häschenschule – Die Jagd nach dem goldenen Ei, der 2017 in die Kinos gekommen ist. Die Geschichten sind inspiriert von einem Kinderbuch, das in die zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückreicht und dessen Autor Albert Sixtus (1892-1960) war.
Wie sind Sie diesem Buch begegnet und was zeichnet es aus, dass es sich so elegant ins 21. Jh. transferieren ließ?
Ute von Münchow-Pohl: Grundsätzlich muss ich vorausschicken, dass die Auswahl des Stof-fes nicht mir obliegt. Die Idee zur Verfilmung des Kinderbuchklassikers von Albert Sixtus kam vom Produzenten Dirk Beinhold. Ich kenne das Buch noch aus Kindertagen. Das Faszinierende daran waren für mich die Illustrationen. Inhaltlich liegt der Reiz für die Kinder meiner Meinung nach darin, dass sie sich sagen können „Die Hasen machen dasselbe wie wir – sie gehen auch in die Schule und lernen dort eben das, was für Hasen nützlich ist: Kräuterkunde, wie man sich vorm Fuchs schützt und wie man Ostereier bemalt. Von der künstlerischen Seite sind die Illustrationen von Fritz Koch-Gotha deshalb so interessant, weil er sehr gut karikieren konnte und seine Figuren unheimlich lebendig und ausdrucksstark sind. Die Original-Illustrationen bildeten daher einerseits eine schöne Vorlage für den Film, andererseits eine hoch gehängte Latte, um dieser Qualität nahe zu kommen. Deshalb haben wir entschieden, unseren Figuren einen grafischeren Look zu geben, obwohl eine 3D-Animation angedacht war. Die Figuren der Original-Illustration zu übernehmen wäre nicht möglich gewesen, weil sie gar nicht mehr unseren heutigen Sehgewohnheiten entsprechen.
Auf einer inhaltlichen Ebene stoßen auch zwei Wertewelten aufeinander, die es ins Heute zu bringen galt.
Ute von Münchow-Pohl: Das Kernthema des Buches, das ich im Film unbedingt transferieren wollte, ist eine Geborgenheit in der Welt, die vermittelt wird: Man verspürt ein Aufgehobensein in der Gemeinschaft, das Gefühl, einen Platz in der Welt zu haben, obwohl die Geschichte aus einer Zeit kommt, die mit einer pädagogischen Haltung in Verbindung steht, die man heute nicht mehr übernehmen will. Es gibt im Buch von Albert Sixtus Szenen, wo die Jungs in der Pause herumtollen und die Mädchen artig am Rande stehen und miteinander parlieren. Das ist natürlich abwegig. Es gab anfangs auch die Überlegung, ob wir das Mädchen/Jungen-Thema thematisieren sollen, wir haben aber dann beschlossen, es einfach anders zu machen, ohne eine Debatte darüber zu führen. Wir sagten uns: Die Welt unserer Häschenschule ist eher positiv-konservativ in ihrer Denke, naturverbunden, es gibt keine Elektrizität, man arbeitet eben mit anderen Mitteln. Es gibt zwar noch Frontalunterricht, der Umgangston der Lehrer*innen ist aber nicht besonders autoritär. Bei den Klamotten haben wir uns ans Buch angelehnt, da tragen die Mädchen Röcke und die Jungs Hosen. Aber ein „Mädchen machen dies, Jungen machen das“, das gibt es bei uns nicht“. Wir erzählen, wie es sein soll – nämlich dass sie sich in ihrem Verhalten nicht unterscheiden. Mädchen sind genauso mutig und sportlich aktiv wie die Jungen.
Die Füchse bekämpfen die Hasen ja nicht aus Jagdinstinkt oder wegen materieller Werte, sondern weil sie sie als Osterhasen um ihre Beliebtheit bei den Kindern so beneiden. Auch da unterscheidet sich der Konflikt der Antagonisten von anderen Geschichten.
Ute von Münchow-Pohl: Reine Bösewichte interessieren mich nicht. Es gibt sie meinem Empfinden nach auch nicht. Weltvernichter oder Weltbeherrscher halte ich für uninteressante Klischees. Mich interessiert jemand, den ich verstehe und in dem ich mich auch spiegeln kann. Geliebt werden wollen wir alle, das ist ein guter Anknüpfungspunkt für alle. Darüber hinaus ist es mir in der Gestaltung der Figuren wichtig, dass man als Zuschauer*in sowohl bei den Helden als auch bei den Gegnern Facetten findet, mit denen man sich identifizieren kann.
Es ist nun gerade Häschenschule 2 – Der große Eierklau im Entstehen, also ein Sequel, was voraussetzt, dass der erste Teil, Häschenschule 1 – Jagd nach dem goldenen Ei, für den Sie auch Regie geführt haben, ein großer Erfolg gewesen ist. Geht man einem Sequel, das ja auch die Wiederholung eines Erfolges in den Raum stellt, eigentlich mit gemischten Gefühlen entgegen?
Ute von Münchow-Pohl: Es hängt immer vom Buch ab. Häschenschule 1 war in der Tat ziemlich erfolgreich an den Kinokassen auch in Österreich. Die Rückmeldungen des Publikums waren vielschichtig und überaus positiv. Der Film ist auf einigen Festivals gelaufen, hat mehrere Publikumspreise gewonnen. Besonders beglückend und motivierend aber sind für mich die Reaktionen der Kinder. Ich habe gemerkt, dass unsere Intentionen aufgegangen sind, d.h. ich habe mich verstanden gefühlt. So gesehen ist es sehr reizvoll und naheliegend, einen zweiten Teil zu machen. Ich arbeite zur Zeit noch an einem anderen Projekt Die Heinzels –Rückkehr der Heinzelmännchen, das kurz vor Fertigstellung steht. Das wirklich nahe Zurückkommen zu Max und Emmi als Figuren steht mir also noch bevor. Das Risiko an einem Sequel liegt darin, dass man einerseits ein Erfolgsrezept wiederholen will oder soll und es gleichzeitig auch nicht tun darf. Auf diesem Grat die richtige Spur zu finden, darin liegt die Herausforderung. Es wird auch in Häschenschule 2 wieder darum gehen, Ostern zu retten, da knüpfen wir an den ersten Film an. Max kehrt in die Häschenschule zurück, in der er schon mal gewesen ist. Die Geschichte muss aber auch als Unikat für jene funktionieren, die den ersten Teil nicht gesehen haben. Die Hasen sind dieses Mal ein bisschen älter. Damit verbinden wir auch das Ziel, ein etwas älteres Publikum zu erreichen. Den Antagonismus Hasen / Füchse mischen wir etwas auf: Es sind dieses Mal nicht nur die Füchse die Feinde, es gibt auch einen gegnerischen Hasen und somit neue Koalitionen, auch zwischen Hasen und Füchsen. Es wird stärker als im ersten Film ein Buddy-Movie werden.
Welche Herausforderungen werden die aus Teil 1 bekannten Figuren Max und Emmi zu bewältigen haben?
Ute von Münchow-Pohl: Max muss alles daran setzen, dass Ostern weiterhin gefeiert werden kann. Im ersten Teil musste er, der Stadthase, sich mit der aus seiner Sicht so rückständigen Häschenschule anfreunden, jetzt muss er sich mit seinen Gegenspielern anfreunden. Er bleibt der Stadthase, muss aber mit seinem vorpreschenden, rotzigen Benehmen so einiges einstecken und immer wieder aufs Neue lernen, sich in der Gemeinschaft zu bewegen. Aus der Stadt ist er es gewohnt, allein zu agieren und er geht prinzipiell davon aus, alles allein zu schaffen. Er muss lernen, im Team zu handeln und macht auch die Erfahrung, dass dieses stärker ist als er als Einzelkämpfer. Außerdem muss er sich auch noch mit dem Fuchs arrangieren und somit eine Grenze überwinden: nämlich, dass jemand, der ganz anders ist und bisher als Gegner wahrgenommen wurde, auch ein Verbündeter sein kann, der ihm noch dazu zurückspiegelt, wie er so ist. In vielen Situationen wird er mit sich selbst und mit den anderen konfrontiert sein. Emmi ist auch wieder wichtig, aber sie hat diesmal kein eigenes Thema, an dem sie sich abarbeiten muss. Als das Drehbuch für Häschenschule 1 entstand, bin ich schon mal für eine Heldin eingetreten, das ist leider nicht durchgedrungen. Emmi hat aber eine ganz wichtige Rolle. Ich bin gerade eng in die Fertigstellung des Drehbuchs von Häschenschule 2 eingebunden und dränge sehr darauf, dass Emmi genug zu tun hat. Sie gerät in Gefahren und ist wichtig in der Dynamik zwischen den zwei Jungs. Emmi ist die Stimme der Vernunft und des Herzens, die sich nicht mit dem blöden Getue der Jungs abgeben muss und ihnen vor Augen führt, worum es wirklich geht. Da es schon ein gewisses Personal bei den Hasen und Füchsen gibt, von denen nun einer auch eine Hauptrolle bekommt, hätten sich irgendwann zu viele Hauptfiguren gedrängt. Auch die Fuchsmutter bekommt stärkere Konturen. Hermine, die Lehrerin (die es übrigens im Kinderbuch nicht gibt) ist eine weise Frau, die leicht über den Wassern schwebt. Sie kann Karate, Zen, hat viel Intuition und sieht, was die Kinder und Jugendlichen brauchen.
Der erste Teil zeichnet sich durch eine große Liebe zum Detail, eine sehr liebevolle Figurenzeichnung und Witz in den Dialogen aus. Wie sehen Ihre Prämissen in der Figurengestaltung aus? Wie können Sie sich im Animationsfilm als Regisseurin einbringen?
Ute von Münchow-Pohl: Die Stoffentwicklung findet beim Produzenten statt. Es gibt gewiss auch Projekte, wo Regisseur*innen auch das Buch schreiben. Ich bin noch nicht bei den ersten Ideen in die Kommunikationsabläufe eingebunden, aber spätestens ab dem Treatment. Auch wenn ich zur Zeit noch sehr intensiv an der Fertigstellung des Heinzelmännchen-Projekts arbeite und noch nicht so viel Zeit für das neue Projekt habe, möchte ich eine Vorstellung davon haben, was da gerade am Entstehen ist und dazu auch schon etwas sagen können. Wenn eine fertige Fassung der Autorinnen – Katja Grübel, unter Mitarbeit von Dagmar Rehbinder – vorliegt, erstelle ich meine Regiefassung und ändere und kürze in Abstimmung mit Produktion und den Autorinnen. Konkrete Änderungen werden immer in Abstimmung mit dem Dramaturgie-Team gemacht, dazu gibt es regelmäßige Meetings, wo der Produzent Dirk Beinhold und auch die Dramaturgin Katharina Wicke eng eingebunden sind. In einem weiteren Schritt werden die Figuren designt. Mir fällt der Vergleich mit dem Realfilm schwer, da ich nie einen Real-Spielfilm gemacht habe. Ich denke, die Arbeit im Animationsfilm unterscheidet sich vor allem in der Durchführung und in der Kommunikation. Genau genommen habe ich überall die Finger drin und versuche meine Vision und meine Wünsche an die verschiedenen Artists zu vermitteln, gleichzeitig aber viel von dem aufzunehmen, was sie einbringen. So ein Film ist eine große Teamarbeit. Ab dem Moment, wo feststeht, wie die Figuren aussehen sollen, intensiviert sich meine Einbindung und ich arbeite sehr direkt mit der Designerin und in einem weiteren Schritt mit dem Art-Director am Feinschliff der Figuren. Es ist ein ständiges Geben und Nehmen zwischen den Zeichner*innen und mir. Der entscheidende Schritt ist die Umsetzung des Drehbuchs ins Storyboard, wo es um die Auflösung der einzelnen Szenen geht und die Welt gemeinsam mit Set-Design und Prop-Design entwickelt werden muss. Das Story-Board ist die Blaupause, sozusagen das Herzstück im Film. Davon wird ein Animatic gemacht, d.h. die Bilder werden getimt und zu einem Film, an den der Dialog angelegt wird. Ich habe ein ganzes Team an Storyboarder*innen, mit dem ich ohne Supervision direkt im Austausch stehe. Mir ist wichtig, dass die Charaktere Leben entwickeln und dass ich mich zu ihnen verhalten kann. Ich möchte, dass man sich vorstellen kann, was sie zum Abendbrot essen oder wie sie sich in einer bestimmten Situation verhalten würden. Man muss glauben können, was sie tun. Für die Dramaturgie der Geschichte gibt es beim Drehbuch oft einen Moment, wo eine Figur etwas Bestimmtes tun muss oder z.B. bestimmte Emotionen aufeinanderprallen, damit die Geschichte weitergehen kann. Mir ist es sehr wichtig, dass so ein Moment dann auch wirklich aus der Figur heraus Sinn macht und nicht hingezwungen wird. Ein Verhalten oder eine Handlung muss gefühlsmäßig nachvollziehbar sein.
Im Unterschied zu einem Realfilm ist unsere Produktionszeit viel länger. Ab Development-Status, d.h. es gibt das Buch und erste Designs, bis zur Mischung muss man mit 20 Monaten rechnen, die ich durchgehend dabei bin. Die Arbeitsprozesse beim Animationsfilm müssen viel kontrollierter ablaufen, weil es so teuer und arbeitsintensiv ist, allein eine Minute herzu-stellen. Im Animatic kann ein bisschen noch geschnitten werden, aber grundsätzlich steht damit genau fest, was in einer Szene passiert und wie lange sie aus welcher Perspektive gezeigt wird. Ein Experimentieren mit einer anderen Kameraperspektive gibt es nicht. Eine Szene folgt der anderen und das muss funktionieren. Dann werden die Figuren in 3D gemodelt, beweglich gemacht, dann animiert. Für alles gibt es Teams und jeweils eine*n Supervisor*in. Manchmal kommuniziere ich mit der Leitung eines Departments oder bin direkt in Kontakt mit dem Team. Je nachdem wo meine Stärken liegen, bin ich stärker involviert.
Wo wird der Film entstehen und wann ist mit seiner Fertigstellung zu rechnen?
Ute von Münchow-Pohl: Der Produzent arbeitet von Berlin aus, das kreative Herz des Projekts befindet sich in Hamburg, wo auch ich arbeite. Je nach Gewerk arbeiten auch Studios aus anderen Ländern mit; dieses Mal arbeiten wir auch mit dem Wiener Animationsstudio arx anima zusammen. Da steht mir noch einiges an Reisetätigkeit bevor. Wir gehen Ende 2019 in die Produktionsphase und der Film soll im Sommer 2021 fertig sein. Da es ja wieder um die Rettung von Ostern geht, wird der Film erst Ende Februar 2022 ins Kino kommen.
Im Bereich des Realfilms tut sich zur Zeit einiges, um Frauen stärker zum Zug kommen zu lassen. Sind im Animationsfilm die Geschlechterverhältnisse eigentlich ausgewogener?
Ute von Münchow-Pohl: Die Geschlechterverhältnisse in der Animations-Branche scheinen mir ausgewogener als im Realfilm. Ich arbeite sehr viel mit Frauen zusammen. Je nach Gewerken verteilt es sich aber doch wieder ungleich. Je technischer es wird – Computeranimation, 3D-Animation, Technical Director – umso stärker sind wieder Männer vertreten. Bei Herstellung und Organisation sind es in erster Linie Frauen, im Kreativen mischt es sich gut, beim Storyboard ist das Verhältnis ziemlich halbe-halbe und ich kenne inzwischen eine ganze Reihe an Regisseurinnen. Zur Zeit arbeite ich an der Fertigstellung von Die Heinzels – Die Rückkehr der Heinzelmännchen, der im kommenden Herbst ins Kino kommt und eine weibliche Heldin – ein Heinzelmädchen – hat. Interessant ist, dass die Häschenschule von zwei Autorinnen geschrieben wurde und einen Jungen als Protagonisten hat, während Die Heinzels von einem Mann geschrieben wurde und eine weibliche Hauptfigur hat. Das hat also nicht so viel zu sagen. Ich habe, bevor ich Regie geführt habe, viel Storyboard gemacht und mich viel allein unter Männern bewegt. Das hat sich gottseidank geändert und ändert auch die Art und Weise, wie miteinander umgegangen wird. Ich bin eine absolute Verfechterin von gemischten Teams.
Interview: Karin Schiefer
August 2019