Von Venedig bis Wien: Es ist Festivalzeit!
Bereits zum 81. Mal ging vor kurzem das älteste Filmfestival der Welt über die Bühne, „la Mostra Internazionale d’Arte Cinematografica“ – die Internationalen Filmfestspiele von Venedig. Als Teil der venezianischen Kunstbiennale unterstreicht das Festival seit jeher die Verbindung zwischen Film und bildender Kunst und gilt weltweit als eine der bedeutendsten Plattformen für den Autorenfilm. Von Akira Kurosawas RASHOMON (1950) über Federico Fellinis LA DOLCE VITA (1960) und Wim Wenders DER STAND DER DINGE (1982) bis hin zu Ang Lees BROKEBACK MOUNTAIN (2005) und Sofia Coppolas SOMEWHERE (2010) – zahlreiche als Meilensteine in die Filmgeschichte eingegangene Werke feierten in Venedig ihre Weltpremiere.
Zur 81. Ausgabe, der 13. unter Festivaldirektor Alberto Barbera, wurden 21 Filmarbeiten in den offiziellen Wettbewerb um den Goldenen Löwen auf der berühmten Lido di Venezia geschickt. Mit Spannung erwartet wurde Teil zwei von Todd Phillips Joker-Verfilmung (Joker: Folie à Deux) mit Joaquin Phoenix und Lady Gaga ebenso wie Angelina Jolies Verkörperung der legendären Opernsängerin Maria Callas im Biopic MARIA des chilenischen Regisseurs Pablo Larraín. In ungewohnter Rolle war Langzeit-James Bond-Darsteller Daniel Craig in Luca Guadagninos QUEER nach dem Romans von William S. Burroughs zu sehen. Ebenfalls Teil der Auswahl: DER ORDEN aus der Feder des australischen Filmemachers Justin Kurzel mit Jude Law inmitten einer Reihe brutaler Straftaten einer Terrorgruppe Anfang der 80-er Jahre in den USA. Mit BABYGIRL präsentierte die niederländische Regisseurin Halina Reijn einen spannenden Erotikthriller mit Nicole Kidman in der Hauptrolle. In Jouer avec le feu beleuchten die Schwestern Delphine und Muriel Coulin das Konfliktpotential entgegengesetzter politischer Überzeugungen innerhalb der Familie eines alleinerziehenden Vaters und seiner beiden Söhne.
Aus der hochkarätigen Filmauswahl punktete bei der Jury unter dem Vorsitz der französischen Schauspielerin Isabelle Huppert letztlich The Room Next Door, Pedro Almodóvars erster Film in englischer Sprache. Das mit dem Goldenen Löwen prämierte Drama handelt von zwei Freudinnen, die nach Jahren ohne Kontakt in einer Extremsituation wieder zusammentreffen und gewinnt seine Sogwirkung zu einem Gutteil durch die besondere Chemie und das großartige Spiel der beiden Hauptdarstellerinnen Julianne Moore und Tilda Swinton. Die Schauspielpreise gingen unterdessen an Nicole Kidman (BABYGIRL) und den französischen Schauspieler Vincent Lindon (Jouer avec le feu).
2 ÖFI-geförderte Filme wurden in Venedig ausgezeichnet
Nach begeisterten Kritiken der internationalen Presse hat Bernhard Wengers erster Spielfilm PEACOCK, gleich zwei unabhängige Jurypreise in der Sektion „Settimana Internazionale della Critica“, gewonnen: Premio Bisato d’oro und Premio Fondazione FAI
Im Langfilmdebüt des 1992 geborenen Filmemachers Bernhard Wenger geht es um einen jungen Mann, der seine Freundschaftsdienste für Geld anbietet und dessen Selbstbild dadurch zunehmend ins Schwanken gerät.
Nader Saeivars SHAHED (THE WITNESS), koproduziert von Golden Girls Filmproduktion, hat den Armani Beauty Audience Award gewonnen, den Hauptpreis der Sektion Orizzonti Extra. Die deutsch-österreichische Koproduktion handelt von der Frage nach persönlicher Verantwortung angesichts eines zufällig bezeugten Mordes durch ein hochrangiges iranisches Regierungsmitglied – ein Mord, der unter allen Umständen vertuscht werden soll.
Die VIENNALE naht!
Auch innerhalb Österreichs kommen Filmfestival-Begeisterte bald wieder auf ihre Kosten, denn ab 17. Oktober findet in der Bundeshauptstadt die 62. VIENNALE statt. Vor kurzem präsentierte Direktorin Eva Sangiorgi die Eckpunkte des Programms 2024. Dieses hält bis 29. Oktober jede Menge Perlen des nationalen und internationalen Filmschaffens bereit. Besonders groß ist die Vorfreude unter Cineast*innen auf zwei Werke heimischer Regie-Shooting-Stars, die international zuletzt für Furore gesorgt haben: die Rede ist zum einen von Mo Harawe, dessen Langfilmdebüt, das Drama THE VILLAGE NEXT TO PARADISE über die herausfordernden Lebensumstände einer Familie in Somalia, in Cannes uraufgeführt und von Publikum wie Kritik mit Begeisterung aufgenommen wurde. Zum anderen wird Kurdwin Ayubs in Locarno mit dem Jurypreis bedachter Streifen MOND bei der VIENNALE erstmals in Österreich zu sehen sein.
Daneben warten aber noch viele weitere mit ÖFI Unterstützung realisierte Filmproduktionen, wie zum Beispiel ZWISCHEN UNS GOTT, ein sehr persönlicher Dokumentarfilm, in dem die protestantischen Onkeln und Tanten der jungen Regisseurin Rebecca Hirneise erstmals über ihren persönlichen Glauben reflektieren, was erstaunliche Konflikte zum Vorschein bringt. In ihrem zweiten Langfilm BLUISH gehen Lilith Kraxner und Milena Czernovsky dem Thema des Alleinseins in der Stadt in Form eines sanft-melancholischen Blickes auf das orientierungslos erscheinende Leben zweier junger Frauen in Wien nach. Ebenso feiert Bernhard Wengers Film PEACOCK in Wien seine Österreich-Premiere.
Daneben gibt bei der 62. Festivalausgabe natürlich herausragende Arbeiten des weltweiten Filmschaffens zu sehen – allen voran Sean Bakers Film ANORA. Die heuer in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnete, tragikomische Neuauflage des PRETTY WOMAN-Plots handelt von der familiär alles andere als erwünschten Liebesbeziehung zwischen einer jungen New Yorker Sexarbeiterin und einem russischen Oligarchen-Sohn. Ebenfalls preisgekrönt – mit dem Goldenen Bären bei der Berlinale – ist DAHOMEY, der Dokumentarfilm der französisch-senegalesische Regisseurin Mati Diop. Ihr Film dokumentiert die vom französischen Staatspräsidenten Macron veranlasste Rückführung von 26 Skulpturen zu ihrem Herkunftsort in Afrika. Vor diesem Hintergrund wird der Raub unzähliger Kunstschätze zur Zeit der Kolonialherrschaft beleuchtet und zugleich die Frage gestellt, wie sehr sich das Land seither verändert hat. Eine Reise in die Vergangenheit, ins kolonial verwaltete Burma des Jahres 1917, hält auch das Historiendrama GRAND TOUR des portugiesischen Regisseurs Miguel Gomes bereit. Darin flüchtet ein britischer Kolonialbeamter kurz vor der Ankunft seiner Verlobten aus Angst vor der bevorstehenden Hochzeit auf eine Reise durch Asien, während die weiterhin heiratswillige Verlobte seiner Spur folgt. In der Sektion „Orizzonti“ in Venedig uraufgeführt, spielt HAPPYEND, das Spielfilmdebüt des in New York und Tokio aufgewachsenen Regisseurs Neo Sora, in einem Tokio der nahen Zukunft, wo die Gefahr eines verheerenden Erdbebens das Leben überschattet und gleichzeitig ein repressives Überwachungssystem politisches Bewusstsein und Kontroversen innerhalb einer Freundschaft heraufbeschwören. In ihrem Filmdebüt JANET PLANET hat sich die mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete Dramatikerin Annie Baker mit dem dynamischen Prozess einer sich verändernden Mutter-Tochter-Liebe befasst. Das Ergebnis ist ein faszinierendes Coming-of-Age-Drama, in dessen Zentrum eine Elfjährige zunehmend in ihre eigene Fantasiewelt gleitet und damit der Liebe zur Mutter immer weniger Raum gibt.
Kurz gesagt: Ab dem 17. Oktober warten in Wien viele Stunden voller packender Geschichten und innovativer filmischer Erzählweisen auf Filmfans!