Locarno: Sensationserfolg für Kurdwin Ayub
Im August bietet die bezaubernde Altstadt von Locarno im Schweizer Tessin jedes Jahr eine atemberaubende Kulisse für Filmkunst aus aller Welt. Das internationale Locarno Film Festival mit dem Goldenen Leoparden als Hauptpreis gehört nach Venedig und neben Cannes zu den ältesten Filmfestspielen der Welt. Das Festival auf der berühmten Piazza Grande wurde 1946 von einer Gruppe Schweizer Cinneast*innen gegründet, um den internationalen Austausch von Filmen voranzutreiben und insbesondere den Autorenfilm zu fördern. Wurden bei der ersten Ausgabe des Festivals 15 Filme präsentiert, so standen 2024 nicht weniger als 225 Spiel-, Dokumentar-, Kurz- und Experimentalfilme auf dem Programm – darunter 104 Weltpremieren.
In österreichischer Hand war die 77. Festivalausgabe nicht nur deshalb, weil Jessica Hausner in diesem Jahr die Präsidentschaft der Jury innehatte, sondern vor allem wegen der sensationellen Resonanz für Kurdwin Ayubs Film MOND. Die österreichische Regisseurin mit irakischen Wurzeln ergatterte mit dem Spezialpreis der Jury die zweitwichtigste Auszeichnung des Festivals. Für das spannende Drama, das sich mit der Repression und Perspektivenlosigkeit von Frauen im Nahen Osten auseinandersetzt, gab es in Locarno außerdem den Europa Cinemas Label Prize, den Boccalino D’oro Prize of the Independent Film Critics und eine Special Mention von der Ökumenischen Jury. Handlungsschauplatz ist Jordanien, wo eine ehemalige Wiener Martial Arts-Kämpferin die drei Töchter einer reichen Familie in der Kampfkunst unterrichten soll. Schnell entpuppt sich das lukrative Angebot als alptraumhafte Szenerie in einer völlig anderen Welt, in der das Leben junger Frauen gänzlich von Männern kontrolliert und bestimmt wird.
Ins Rennen um den Goldenen Leoparden ging Kurdwin Ayub Seite an Seite mit international bereits vielfach ausgezeichneten Filmemacher*innen, wie Ben Rivers (BOGANCLOCH), Virgil Vernier (CENT, MILLE, MILLIARDEN) und Wang Bing (QINGCHUN (CHUN)). Überzeugen konnte im Hauptbewerb aber das Spielfilmdebüt der jungen litauischen Regisseurin Saulè Bliuvaité. Ihr packender Streifen Akiplesa dreht sich um zwei 13-jährige Mädchen, die der Trostlosigkeit in ihrer Heimat durch eine Model-Karriere entfliehen möchten. Dafür nehmen sie jedwede Form des Traktierens ihrer jungen Körper in Kauf, bis hin zum Gewichtsverlust mittels Bandwurm.