und die Professionalisierung der Darstellung von Intimität - 10. Mai 2022 | FILMQUARTIER

 

Internationale Expert*innen und Branchenakteur*innen stellen gemeinsam mit dem Österreichischen Filminstitut – unterstützt vom BMKÖS und der WKW – das neue Berufsbild Intimacy Coordination vor, das durch die #Metoo-Bewegung einen großen Schub bekommen hat.

Die erfahrenen Ausbilder*innen Laura Rikard und Kim Shively von Theatrical Intimacy Education aus den USA erläutern die Entstehungsgeschichte und stellen neue Arbeitsweisen vor. Sie zeigen auf, warum der bisherige Umgang mit der Darstellung von Intimität und sexualisierter Gewalt besonders anfällig für Grenzüberschreitungen und sexuelle Belästigung war, und wie neue internationale Standards und Best Practice zu mehr Qualität und Innovation führen.

Die Teilnehmer*innen der ersten deutschsprachigen Weiterbildung des culture change hub für Intimacy Coordination stellen sich der Branche vor. Und Schauspielerin Pia Hierzegger, Regisseurin Marie Kreutzer, Schauspieler Lukas Miko, Produzent Oliver Neumann und Dr.in Meike Lauggas von #we-do! diskutieren über die Notwendigkeit dieser neuen und innovativen Arbeitsweise.

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Statements:

Cornelia Dworak, Stunt- und Intimitätskoordinatorin:

Intimitäts- und Kampfkoordination haben sehr viel gemein. Eine einvernehmlich erstellte Kampfchoreographie, die im Rahmen der Möglichkeiten der Darsteller*innen liegt, ist unerlässlich für deren Sicherheit, spart Zeit durch die Wiederholbarkeit und macht es möglich eine klare Geschichte zu erzählen. Als Koordinatorin bin ich Bindeglied zwischen verschiedenen Departments, Choreographin, Vertrauensperson und trage dazu bei, die Vision der Regie bestmöglich in visuell berührende Bilder zu verwandeln. Es ist an der Zeit, auch bei intimen Szenen mit derselben Professionalität heranzugehen und die körperlichen und mentalen Grenzen der Schauspieler*innen zu wahren.

 

Alev Irmak, Teilnehmerin Intimacy Coordination, Schauspielerin, Schauspielcoach:

Auch in unserer Branche werden längst fällige und aktuelle Themen wie Geschlechterquote, Diversität, MeToo-Debatte, Konsens, Rassismus etc. aufgegriffen. Das Department für Intimitätskoordination umfasst das Kommunizieren und Einhalten von persönlichen und körperlichen Grenzen bei intimen Szenen. Das stärkt die Eigenverantwortung und Selbstbestimmung der Schauspieler*innen. In diesem Rahmen werden die Auslegung und Möglichkeiten der intimen Szene/n hinsichtlich der Rolle und Geschichte kreativ erarbeitet. Intimitätskoordination kreiert dafür einen Raum und sollte am Set, wie andere Departments auch, als selbstverständlich erachtet werden.

 

 

 

Katharina Haudum, Teilnehmerin Intimacy Coordination, Schauspielerin, künstlerische Leitung Drehübung Wien:

Letztendlich wird das Einführen von Intimacy Coordinators eine Erleichterung für das gesamte künstlerische und technische Filmteam sein. Es wird außerdem zu mehr künstlerischer und inhaltlicher Qualität beim Erzählen und Darstellen von intimen Szenen beitragen. Und es werden durch die erste professionelle deutschsprachige Ausbildung von Intimacy Coordinators Standards gesetzt. Werte wie Zustimmung, das Kennenlernen und Respektieren von persönlichen Grenzen sowie gender,- und rassismussensibles Wissen sind die Basis unserer Arbeit. Für unsere Branche werden diese Punkte in Zukunft wichtig sein. Denn nach der #Meetoo-Debatte, einem zunehmenden Fachkräftemangel beim Film und einer immer weiter fortschreitenden Internationalisierung des Filmschaffens können wir uns eine andere Arbeitsweise hierzulande kaum mehr leisten.

 

 

Tom Waldek, Teilnehmer Intimacy Coordination, Schauspieler, Regisseur:

Mit unserer Arbeit als Intimitätskoordinator*innen ermutigen und begleiten wir Menschen in vielen Kreativ-Departments, im Film und auf der Bühne, vor allem in starren Systemen und veralteten Arbeitsprozessen, eine sensible, klare und respektvolle Kommunikation gestützt von aktuellen, systemrelevanten Gesellschaftsthemen (Diversity, Gender-Quote, Rassismus etc.) zu leben. Es geht hierbei darum, individuelle Grenzen bei der Darstellung von intimen Szenen direkt und sorgenfrei ansprechen zu können. Ein „Nein“ wird zum wichtigen Teil eines kreativen Lösungsansatzes um Produktionsprozesse effizienter zu gestalten. Das Spannende daran ist, dass diese wegweisende Kommunikationsweise des Intimacy Coordinating auch in vielen weiteren Berufswelten außerhalb des kreativen Film- und Theater-Bereichs, als Wegweiser für eine offene, klare, respektvolle Sprache Wellen schlagen kann und dies auch tun wird.

 

 

 

 

Barbara Rohm, Gründerin des culture change hub:

Mit der ersten Weiterbildung zum Intimacy Coordinator schließt der culture change hub in Kooperation mit seinen Kooperationspartner*innen wie dem Österreichischen Filminstitut, Focal Schweiz und dem Bundesverband Schauspiel in Deutschland eine wichtige Lücke im deutschsprachigen Raum. Die bisherige Arbeitsweise bei der Darstellung von Intimität und sexualisierter Gewalt macht diese Szenen besonders anfällig für Grenzüberschreitungen und es bedarf einer Professionalisierung. Dies betrifft den gesamten Arbeitsprozess vom Drehbuch, über das Castings, der Arbeit am Set und der Postproduktion. Und dafür brauchen wir Intimacy Coordinators, die eine fundierte und praxisnahe Weiterbildung durchlaufen haben. Ab Juli wird der erste Jahrgang von Intimacy Coordinators der Branche zur Verfügung stehen. Die von internationalen und nationalen Expertinnen ausgebildeten Teilnehmer*innen freuen sich darauf, an innovativen und mitreißenden Szenen zu arbeiten.

 

 

 

 

 

 

Dr.in Meike Lauggas, #we_do!

Die Anlauf- und Beratungsstelle #we_do! der österreichischen Filmschaffenden begrüßt Intimacy Coordination als weitere Maßnahme zum Schutz vor sexualisierten Übergriffen und Gewalt. Damit werden solche Vorkommnisse nicht mehr auf den individuellen Schultern von Betroffenen abgeladen, sondern mit der Professionalisierung werden strukturelle Rahmen für eine gute und sichere Zusammenarbeit gesetzt.

 

 

 

Pia Hierzegger, Schauspielerin:

Ich kenne keine Schauspieler*innen, die mit großer Freude einer Sexszene entgegenfiebern. Beim Dreh ist man immer unter Zeitdruck. Je besser so eine Szene mit allen Beteiligten im Vorfeld abgesprochen und choreografiert ist – so wie jeder Stunt auch, desto leichter und besser kann man dann spielen. Ich will ja weder mich selbst unwohl fühlen, noch andere überfordern oder vor den Kopf stoßen.

Lukas Miko, Schauspieler:

Beim Erarbeiten von (simulierten) Sex- und Gewaltszenen ist es wichtig, zuvor eigene Grenzen zu kommunizieren und die der Kolleg*innen zu kennen und zu respektieren. Eine gemeinsame Übereinkunft hilft, nach dem Wesentlichen zu suchen: Was an diesen Szenen dient der Charakterzeichnung und der Komplexität der erzählten Geschichte? Wird dabei in jedem Moment die Würde aller Beteiligten gewahrt, entsteht das für die Zusammenarbeit so nötige Vertrauen und der Mut, gemeinsam terra incognita zu betreten.

 


Marie Kreutzer, Regisseurin, Drehbuchautorin:

Schauspieler*innen waren bislang auf das Feingefühl und die Professionalität der Regie angewiesen, wenn es um erotische Szenen ging. Dabei geht es häufig um ganz andere Fragen als bei „normalen“ Spielszenen, die mit Inszenierung im engeren Sinn nicht immer zu tun haben. Ich befürworte daher sehr, dass eine Person „zwischengeschaltet“ wird, deren Fokus darauf liegt, dass persönliche Grenzen eingehalten werden und niemand sich unwohl fühlen muss.

 

 

Fotos: © www.hoferundhofer.at (2022).

 

Pressekontakt:
Birgit Moldaschl, BA
Österreichisches Filminstitut (ÖFI)
+43 1 5269730411
birgit.moldaschl@filminstitut.at

 

Eine Veranstaltung des Österreichischen Filminstituts – Gender & Diversity mit Unterstützung des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport und der WKW Fachvertretung für Film- und Musikwirtschaft