Die Internationalen Filmfestspiele von Cannes zählen zu den bedeutendsten und unzweifelhaft zu den glamourösesten Filmfestivals der Welt. Wim Wenders, David Lynch, Quentin Tarantino, Jane Campion, Roman Polański, Nanni Moretti und Terrence Malick – sie alle und viele weitere unvergessliche Größen des internationalen Filmschaffens wurden bereits mit der begehrten Goldenen Palme geehrt. Die Idee für das Festival entstand bereits in den 30-er Jahren. Angesichts der politischen Einflussnahme bei den Filmfestspielen von Venedig, sollte in Frankreich ein Filmfestival ohne Druck und Zwänge für Filme aus aller Welt entstehen, mit großer Unterstützung des damaligen Ministers für Bildung und Schöne Künste, Jean Zay. Bereits 1939 sollte die erste Ausgabe über die Bühne gehen, der Termin fiel jedoch ausgerechnet mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zusammen, weshalb erst das erste Nachkriegsjahr 1946 zum Gründungsjahr für die Internationalen Filmfestspiele von Cannes werden sollte.

Von 14. Mai bis 25. Mai verwandelte sich die Stadt an der Côte d’Azur heuer bereits zum 77. Mal zum Hotspot für Filmemacher*innen, Fans und Kritiker*innen aus der ganzen Welt. Unter dem Vorsitz von Greta Gerwig bot das Festival in diesem Jahr Glanzpunkte wie Yorgos Lanthimos neuen Film KINDS OF KINDNESS, Francis Ford Coppolas lang erwartetes Science-Fiction-Epos Megalopolis oder David Cronenbergs THE SHROUDS, ein Mix aus dem für den Kultregisseur typischen Bodyhorror mit Mystery-Elementen. In der offiziellen Festivalauswahl im Wettbewerb um die Goldene Palme fanden sich insgesamt 22 Filme wieder.

Eine Reihe österreichischer Filmemacher*innen prägt eine enge Verbindung zum weltberühmten französischen Filmfestival, allen voran Michael Haneke, der sowohl für DAS WEISSE BAND als auch für AMOUR mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde und bereits davor für FUNNY GAMES, DIE KLAVIERSPIELERIN und CACHÉ mit Nominierungen bedacht worden war.

Von Jessica Hausner hatten praktisch alle bisherigen Spielfilme die Ehre, in Cannes gezeigt zu werden, darunter LOVELY RITA, HOTEL, LOURDES und LITTLE JOE, was der Regisseurin viel internationale Beachtung und Anerkennung eingebracht hat. Ihr aktueller Film, das Psychodrama CLUB ZERO, lief im Vorjahr in der offiziellen Wettbewerbsauswahl.

Auch Ulrich Seidl pflegt eine besondere Beziehung zu Cannes. IMPORT EXPORT wurde im Wettbewerb um die Goldene Palme uraufgeführt ebenso wie PARADIES: LIEBE aus Seidls PARADIES-Trilogie.

 

Bei der Festivalausgabe 2024 fand sich zwar kein österreichischer Beitrag in der „Sélection officielle“ um die Goldene Palme wieder, dafür allerdings ein vielbeachteter Beitrag in der Schiene „Un Certain Regard“, ein Preis, der insbesondere junge Talente und innovative Arbeiten vor den Vorhang holt. In dieser Kategorie, in der zuletzt auch Marie Kreutzers Sisi-Adaption CORSAGE oder Sebastian Meises Drama GROSSE FREIHEIT erstmals präsentiert wurden, feierte der erste Langfilm des österreichischen Filmemachers Mo Harawe am 21. Mai seine Weltpremiere. THE VILLAGE NEXT TO PARADISE handelt von den Herausforderungen im Leben einer Familie in einem somalischen Dorf. Während Mamargade als alleinerziehender Vater darum kämpft, seinem Sohn ein gutes Leben zu ermöglichen, dessen Bedürfnisse dabei aber mitunter übersieht, sucht seine Schwester Araweelo nach der Scheidung ein neues Zuhause und eine Möglichkeit, ein eigenes Geschäft aufbauen zu dürfen. Ein tiefgehender und feinfühlig inszenierter Blick hinein in eine andere Lebenswelt mit ihren individuellen und zutiefst menschlichen Wünschen und Zielen, der von Publikum und Kritik enthusiastisch aufgenommen wurde.

Für den 32-jährigen Regisseur ist die große Bühne von Cannes der nächste Meilenstein in seiner Laufbahn als Filmemacher. Mit seinen Kurzfilmen LIFE ON THE HORN (2020) und WILL MY PARENTS COME TO SEE ME (2022) hat Harawe, der mit 17 Jahren aus Somalia nach Österreich geflohen ist, bereits viel Aufmerksamkeit auf sich gelenkt und u.a. Auszeichnungen beim Deutschen Kurzfilmpreis und beim London Short Film Festival abgeräumt. Nicht zuletzt durfte sich Harawe 2022 über den Preis für den „Besten Kurzfilm“ beim Österreichischen Filmpreis freuen.

Kinostart: 08.11.2024

The Village Next to Paradise

Nachwuchs, Spielfilm