Institut
Gender Budgeting im Österreichischen Filminstitut

Seit 1. Juli 2021 paktiziert das Österreichische Filminstitut das in den Förderungsrichtlinien unter Punkt 8.1.1. geregelte Gender Budgeting bei der Vergabe von Fördermitteln:

8.1.1. Die Basis für die Förderentscheidung bildet die qualitative inhaltliche (künstlerische und wirtschaftliche) Beurteilung des Projekts.

Die weitere Auswahl der zu fördernden Vorhaben erfolgt auch nach den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirkungsorientierung unter Berücksichtigung des Ziels der Gleichstellung der Geschlechter („Gender-Budgeting“).

8.1.2. In den Bereichen Stoffentwicklung, Projektentwicklung und Herstellung ist bei der Auswahl der zu fördernden Vorhaben unter Berücksichtigung der vorliegenden Förderungsanträge darauf zu achten, dass bei der Verteilung der Förderungsmittel auf Basis der Besetzung der Stabstellen Drehbuch, Regie und Produktion eine Gleichstellung der Geschlechter erreicht wird.

Die Projektkommission soll im Zuge ihrer Entscheidungsfindung innerhalb des jeweiligen Beobachtungszeitraumes darauf achten, dass die gesamten zur Verfügung stehenden Förderungsmittel im Ergebnis zu annähernd gleichen Teilen jeweils virtuellen Frauenkonten oder Männerkonten zugewiesen werden.

Die Projektkommission wird hierbei durch das Filminstitut unterstützt. Gleichstellung der Geschlechter ist bei einem Geschlechteranteil von je 50% an den gesamt vergebenen Förderungsmitteln erreicht, wobei eine Schwankungsbandbreite von +/- 5% möglich ist.

Hierbei kommt folgendes Verfahren zur Anwendung:

a) Folgenabschätzung in Hinblick auf die Gleichstellung der Geschlechter („Gender Impact Assessment“)

Die Förderungsanträge werden nach Einlangen und vor deren Auswahl in Bezug auf die darin vorgesehene Geschlechterverteilung in den Stabstellen Drehbuch, Regie und Produktion – sofern besetzt – vom Filminstitut ausgewertet. Dabei werden die beantragten Förderungsmittel auf diese drei Stabstellen (sofern besetzt) virtuell aufgeteilt.

Aufgrund der Auswertung erfolgt die Zuordnung der Förderungsmittel jeweils auf das virtuelle Frauenkonto oder Männerkonto, getrennt nach den Förderungsstufen Stoffentwicklung, Projektentwicklung und Herstellung. Bei gemischtgeschlechtlicher Besetzung von Stabstellen werden die Förderungsmittel aliquot dem virtuellen Frauenkonto oder Männerkonto zugeordnet.

Das Ergebnis der Auswertung und der geschlechtsspezifischen Zuordnung der Förderungsmittel durch das Filminstitut ist den Mitgliedern der Projektkommission bis spätestens vierzehn Tage vor ihrer Sitzung schriftlich zu übermitteln.

Die Projektkommission ist aufgefordert, diese Auswertung in ihre Entscheidungsfindung mit einzubeziehen.

Nach erfolgter Fördervergabe ordnet das Filminstitut die tatsächlich vergebenen Fördermittel wieder einem Frauenkonto oder einem Männerkonto zu und informiert die Projektkommission über den aktuellen Stand der Fördermittelvergabe innerhalb des Beobachtungszeitraumes.

Etwaige Änderungen in der Höhe der zugesagten Förderungsmittel, etwa durch Mittelerhöhungen, sind im Rahmen der jeweiligen Auswertung zu berücksichtigen.

b) Etappenplan

Es gilt folgende Zielvorgabe: In allen Projektstufen soll die Gleichstellung bis Jahresende 2024 erreicht werden, wobei in den ersten beiden Jahren 2021 und 2022 mindestens 35% und im Jahr 2023 mindestens 40% der Fördermittel gemäß Punkt 8.1.2 vergeben werden müssen.

c) Evaluierung, Veröffentlichung und Berichtslegung

Die Ergebnisse der Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter sind vom Filminstitut laufend zu evaluieren und zusammen mit den Förderzusagen zu veröffentlichen.

Falls die Zielvorgabe nicht erreicht wird, hat die Projektkommission unter Berücksichtigung des Punktes 8.1.1 anzustreben, dass die Differenz zur definierten Gleichstellung (50/50) innerhalb der nächsten sechs Monate ausgeglichen wird.

Wenn das Ziel nicht erreicht wird, hat das Filminstitut eine Analyse der Ursachen dafür vorzunehmen und dem Aufsichtsrat über das Ergebnis der Analyse zu berichten sowie Adaptierungen vorzuschlagen, um das Erreichen der Zielvorgabe zu unterstützen.

Schwedisches Berechnungssystem

Für die geschlechtergerechte Vergabe von Mitteln in der Filmförderung

Das Schwedische Berechnungssystem wurde entwickelt, um die Vergabe von Fördergeldern auf faire Geschlechterverteilung zu prüfen und es ist international etabliert. Daher wird das Schwedische Berechnungssystem auch für die Verteilung der Fördermittel im Rahmen des Gender Budgetings vom Österreichischen Filminstitut angewendet.

BERECHNUNGSMODUS
des Schwedischen Berechnungssytems:

Die Filmförderung eines Filmprojekts wird über die drei als zentral identifizierten Stabstellen Regie, Drehbuch und Produktion (i.e. Kernteam) nach Geschlechterbesetzung dieser Positionen berechnet. Jeder dieser Stabstellen wird ein Drittel der Fördersumme zugerechnet, und je nachdem, ob die Stabstelle von einer Frau/mehreren Frauen oder einem Mann/mehreren Männern besetzt ist, werden diese Drittel dem jeweiligen Geschlechterkonto zugerechnet (ist die Stabstelle noch nicht besetzt, wird dieses Drittel nicht weiter berücksichtigt). Bei gemischt besetzten Stabstellen wird das Drittel dieser Stabstelle auf die jeweiligen Personen aufgeteilt und so den Geschlechterkonten zugeordnet. Am Ende werden alle Förderbeträge, die Männern zugesprochen wurden, und alle Förderbeträge, die Frauen zugesprochen wurden, summiert und entlang der Gesamtfördersumme (=100%) ins entsprechende Verhältnis nach Geschlecht ausgewiesen.

Vorteil des Schwedischen Berechnungssystem: Das Schwedische Berechnungssystem ermöglicht die einfache Überblicksdarstellung von Geschlechterverhältnissen anhand drei zentraler Stabstellen.

Um einen Vergleich der Geschlechterverteilung von Förderbeträgen mit der Geschlechterverteilung bei der Anzahl der geförderten Projekte möglich zu machen, wird das Schwedische Berechnungssystem in den Gender-Darstellungen des Österreichischen Filminstituts auch auf der Projektebene angewendet. So kann beispielsweise eruiert werden, ob Projekte mit Frauen oder Männern im Kernteam im Durchschnitt mehr, weniger oder gleich viel an Fördermitteln erhalten haben. Ausgegangen wird demnach nicht von der Fördersumme pro Projekt, sondern vom Frauen- und Männeranteil nach Schwedischem Berechnungsschlüssel im Kernteam eines Projektes. Das Ergebnis dieses Rechenvorganges ist ein Frauen- bzw. Männeranteil eines Projektes oder mehrerer Projekte.

 

Beispiele zur Veranschaulichung:

BEISPIEL 1 Projektentwicklung
Geschlechterverhältnis nach Schwedischem Berechnungssystem

Im dargestellten Beispielprojekt 1, einer mit 30.000 EUR geförderten Projektentwicklung, arbeiten drei Personen in den jeweils mit 33% gewichteten Stabstellen Regie, Drehbuch und Produktion. Es errechnet sich ein Frauenanteil von 67% nach Schwedischem Berechnungsmodell. Dementsprechend werden dem Frauenkonto 20.000 EUR und dem Männerkonto 10.000 EUR zugerechnet.

 

BEISPIEL 2 Herstellung
Geschlechterverhältnis nach Schwedischem Berechnungssystem

Im dargestellten Beispielprojekt 2, einer Herstellung, der 450.000 EUR Förderung zugesagt wurden, verteilen sich sechs Personen ungleichmäßig auf die jeweils mit 33% gewichteten Stabstellen, wodurch sich für das Filmprojekt ein Frauenanteil von rund 39% nach Schwedischem Berechnungssystem errechnet. Dieser ergibt sich aus einem Frauenanteil von 22% in der Produktion und 16,5% im Drehbuch. Dementsprechend gehen 175.000 EUR der dem Projekt zugesagten Fördermittel auf das Frauenkonto und 275.000 EUR auf das Männerkonto.

 

BEISPIEL 3 Drehbuchentwicklung
Geschlechterverhältnis nach Schwedischem Berechnungssystem

Im dargestellten Beispielprojekt 3, einer Stoffentwicklung, liegen aufgrund der frühen Phase im Filmproduktionsprozess, nur Angaben zur Besetzung der Bereiche Drehbuch und Produktion vor. Da die in einem solchen Fall noch freie Stabstelle der Regie nicht gewertet wird, verschiebt sich die 3er-Gewichtung (33%) auf eine 2er-Gewichtung (50%) der mit insgesamt 3 Personen besetzten Bereiche Drehbuch und Produktion, wodurch sich für das Filmprojekt ein Frauenanteil von 50% in der Produktion und 25% im Drehbuch, insgesamt 75% nach Schwedischem Berechnungssystem, ergibt. Dementsprechend gehen von den insgesamt 15.000 EUR Förderung 11.250 EUR (75%) an das Frauenkonto und 3.750 (25%) an das Männerkonto.

 

Die Verteilung nach Fördersummen kann von der Verteilung nach Projekten abweichen:

Im drei Projekte umfassenden Beispiel-Sample wurden insgesamt 510.000 EUR zugesagt. 210.000 EUR davon sind gemäß dem Schwedischen Berechnungssystem an das Frauenkonto gegangen. Das sind 41% der zugesagten Fördermittel. Betrachtet man hingegen die Verteilung der Personen in den Kernteams der drei Projekte nach der Gewichtung des Schwedischen Berechnungssystems, ergibt sich ein anderes Geschlechterverhältnis: Der Frauenanteil beträgt hier 60% und der Männeranteil 40%. Auf der Projektebene ist demnach der Frauenanteil höher als unter Einbeziehung der Fördersummen. Ein hoher Frauenanteil in Projekten mit geringen Förderbeträgen wirkt sich demnach schwächer auf das Frauenkonto aus als ein hoher Frauenanteil in Projekten mit hoher Förderung. Diese Differenzierung wird durch die zusätzliche Betrachtung der Geschlechteranteile auf Ebene der Projektanzahl ermöglicht. Dies veranschaulicht die folgende Darstellung.

Definition Gender Budgeting

„Geschlechtsspezifische Budgetierung ist die Anwendung von Gender Mainstreaming auf den Haushaltsprozess. Sie impliziert eine gleichstellungsorientierte Bewertung von Mittelausstattungen, bei welchen der Aspekt der Gleichstellung auf allen Ebenen des Haushaltsprozesses berücksichtigt wird und die Einnahmen und Ausgaben so umstrukturiert werden, dass die Gleichstellung der Geschlechter gefördert wird.“ (1)

Gender Budgeting ist Teil der Gender Mainstreaming-Strategie, welche dafür Sorge trägt, dass geschlechtsspezifische Realitäten in allen Tätigkeiten und Vorhaben von vornherein zu beachten sind. Damit sollen die Bedürfnisse beider Geschlechter gleichermaßen zum Zug kommen, wie zum Beispiel bei der Gestaltung öffentlicher Parks, bei der Errichtung öffentlicher Gebäude oder der Ressourcenverteilung. (2) Dass damit spannende Fragen des täglichen Lebens zusammenhängen, zeigt dieses Video der Swedish Association of Local Authorities and Regions:

Quellen:
(1) Europarat: Gender Budgeting: Final report of the Group of specialists on gender budgeting, Straßburg, Europarat, 2005, S. 10. zitiert nach Studie für den FEMM-Ausschuss Europäischen Parlaments)
(2) Website Imag-gmb.at und Blog Blog.imag-gendermainstreaming.at der Interministeriellen Arbeitsgruppe für Gender Mainstreaming/Budgeting (IMAG GMB) des Bundesministeriums für Frauen und Gesundheit

Gender Budgeting in Österreich

… bedeutet, dass die Budgets von Bund, Ländern und Gemeinden auf ihre Auswirkungen auf Frauen und Männer hin analysiert und entsprechend den Gleichstellungszielen verändert werden.

Die Haushaltsrechtsreform und die Wirkungsorientierung gelten als große Chance für Gender Budgeting und damit einhergehend für die Gleichstellungspolitik in Österreich. Es zählt dabei nur eines: die vorhandenen Mittel so gerecht wie möglich einzusetzen, um die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Haushalt zu erreichen.

Österreich hat sich auf rechtlicher und politischer Ebene zur Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern verpflichtet. Seit 2009 ist Gender Budgeting im Bundes-Verfassungsgesetz verankert:

Bundes-Verfassungsgesetz, Artikel 13.

(3) Bund, Länder und Gemeinden haben bei der Haushaltsführung die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern anzustreben.

Bundes-Verfassungsgesetz, Artikel 51.

(8) Bei der Haushaltsführung des Bundes sind die Grundsätze der Wirkungsorientierung insbesondere auch unter Berücksichtigung des Ziels der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, der Transparenz, der Effizienz und der möglichst getreuen Darstellung der finanziellen Lage des Bundes zu beachten.

Quelle: Website Imag-gmb.at und Blog Blog.imag-gendermainstreaming.at der Interministeriellen Arbeitsgruppe für Gender Mainstreaming/Budgeting (IMAG GMB) des Bundesministeriums für Frauen und Gesundheit