in Berlin 20.02.-21.02.2024

Die von der Jury prämierten Gewinner…

Von links nach rechts (Vorne): G.S. Leitgeb, Viktor Perdula (Projekt: A Cutter’s Coffers), Daniel Perlman, Kelsey Egan (Projekt: Slay), Jo Southwell, Sara Gibbings (The Sleeper), Emmer Durcan  (Projekt: The Others)

Von rechts nach links (Hinten): Jason Branagan  (Projekt: The Others) , Natty Zavitz  (Projekt: A Nose For Trouble) , Markus Frings, Alexander Feichter  (Projekt: Fulgidusen)

 

Pic Pitchings (20.02.2024)

Am 21.02. fand im Rahmen dieser Veranstaltung eine Präsentation jener Förderer statt, die das Programm unterstützt haben (Bald anbei).

Von links nach rechts: Yolanda Nckotwana (nfvf South Africa), Christine Haupt (FFF Bayern), William Peschek (JETS), Werner Zappe (ÖFI+), Merle Lenz (Hessenfilm), Julia Höpfner (nordmedia), Clara Schreiner (ÖFI), Jakob Widmann (ÖFI), Petra Schleuning (nordmedia), Marielle Poupelin (Telefilm Canada)

Seit nunmehr acht Jahren bekommt die Berlinale während der Berlinale ausgerechnet in Berlin eine kleine, aber feine Konkurrenz: Die JETS Initiative ist längst selbst ein zweitägiges Internationales Filmfestival, das talentierte Produzent*innen und Regisseur*innen für deren Debüt, Zweit- oder Drittwerk mit Förderanstalten, Sales Agents sowie Finanzierungs- und Verleihfirmen aus den Partnerländern Deutschland, Österreich, Kanada, Irland, Südafrika, Norwegen, Großbritannien und den USA zusammenbringt. Ausgezeichnet werden dabei bekanntlich Spielfilm-Projekte, die in künstlerischer und/oder kommerzieller Hinsicht enormes Potential haben.

Neben noch unverbrauchten Gesichtern stellten auch schon seit langem renommierte KünstlerInnen wie Caroline Goodall, die in gleich zwei Steven-Spielberg-Meilensteinen („Hook“, 1991; „Schindlers Liste“, 1993) mitwirkte, oder Shelagh McLeod, welche mehrfach mit dem Schauspielergenie Peter O’Toole zusammenarbeitete, bei JETS vor. Und die ambitionierten Pläne der beiden Leinwandheldinnen wurden dann auch von ihnen als Produzentin und Drehbuchautorin beziehungsweise Regisseurin und Drehbuchautorin in die Tat umgesetzt: Der mit Olga Kurylenko, Claes Bang und Brian Cox prominent besetzte Thriller „Bay of Silence – Am Ende des Schweigens“ und das herzerwärmende, aber niemals kitschige Familiendrama  „Astronaut“ mit Richard Dreyfuss, einer weiteren Spielberg-Schauspieler-Legende („Der weiße Hai“, 1975; „Unheimliche Begegnung der dritten Art“, 1977), in der Titelrolle, sorgten 2020 als Arthouse-Filme ausgerechnet während der Corona-Pandemie für Furore.

Nachdem diese überstanden zu sein scheint, darf man gespannt sein, welche der JETS-Gewinner 2024 in nicht allzu ferner Zukunft in den Lichtspielhäusern, TV-Anstalten und Streamingportalen das Licht der Welt erblicken werden. Diesmal wurden von insgesamt 20 Filmprojekten sechs vielversprechende Pitches aus sechs verschiedenen Ländern von der Jury ausgezeichnet: Um Sagen und Legenden geht es bei den Nachbarländern Deutschland und Österreich. In „Fulgidusen“ von Produzent Markus Frings und Regisseur Alexander Feichter lebten die titelgebenden Wesen in gar nicht so grauer Vorzeit noch friedlich mit den Menschen zusammen. Doch längst haben sie sich in die Wälder zurückgezogen. Der zehnjährige Felix lernt sie eines Tages durch einen Zufall kennen und bittet sie, seine kranke Tante, die mit einem Apotheker verheiratet ist, zu heilen. Doch sie haben die Rechnung ohne einen skrupellosen Pharmaunternehmer gemacht…

Der spannend-witzige Animationsfilm mit Kritik an der heutigen Gesundheitsindustrie hat es vor allem SchauspielerStar Dieter Landuris („Linie 1“, „23 – Nichts ist so wie es scheint“, „Skin Creepers“) angetan, der als Ehrengast am zweiten JETS-Tag den diesjährigen Gewinner in der Kanadischen Botschaft am Potsdamer Platz bekannt gab. Als „herzerfrischend überdreht, ohne dabei seine wichtige Botschaft aus den Augen zu verlieren“, bezeichnete er das das Projekt „für große und kleine Cineasten“. Er selbst hat ja immer wieder in außergewöhnlichen Streifen mitgespielt und auch für zahlreiche Hollywood-Filme die deutsche Fassung synchronisiert. Und wer weiß, vielleicht leiht er demnächst einem der Fulgidusen oder sogar dem bösen Pharmaunternehmen seine wandlungsfähige Stimme. Bei dem kalkulierten Budget von 3,9 Millionen Euro müsste das doch drin sein. Ein erster Kontakt zwischen ihm und dem Filmteam ist jedenfalls bereits gemacht.

Von einer anderen Legende erzählt in einer sehr eigenen „Ghostbusters“-Variante „A Cutter’s Coffers“ (Produzent: Viktor Perdula, Regisseur: G.S. Leitgeb, Budget: 2,8 Mio. Euro). In einer versteckt gelegenen Mine in Österreich, die nach einer schrecklichen Explosion sämtliche Bergbaubauarbeiter inklusive der Familie des Vorarbeiters unter den Trümmern verschüttet hat, treiben deren Geister in den Alpen ihr Unwesen. Die 13-jährige Klara geht mit zwei amerikanischen Gespenster-Jägern der Sache auf den Grund. Ob man Bill Murray für einen Gastauftritt gewinnen kann, steht für das österreichische Duo Perdula und Leitgeb noch nicht fest… Scherz beiseite: Dass grotesk-gruselige Szenarien in den Alpen große Erfolgschancen beim Publikum haben, ist bei der diesjährigen Berlinale in der Sektion „Special Gala“ mit dem SciFi-Horror-Thriller „Cuckoo“ unter Beweis gestellt worden. Der Leipziger Newcomer Tilman Singer hat bei den unheimlichen, an Stanley Kubricks „Shining“ (1980) erinnernden Ereignissen in einem Berg-Hotel ein illustres Schauspieler-Ensemble von LGBT-Ikone Hunter Schafer bis „Game of Thrones“ und „Matrix Resurrections“-Star Jessica Henwick versammelt. Warum also sollte den Machern von „A Cutter’s Coffers“ nicht doch gelingen, Geisterjäger Murray zu verpflichten?

Ridley Scotts „Thelma & Louise“, ein anderer, moderner Filmklassiker, lässt bei „The Sleeper“ (Produzentin: Sara Gibbings, Regisseurin: Jo Southwell, Budget: 4,1 Mio. Euro) schön grüßen. Die Geschichte einer Freundschaft unter zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und in einen Kriminalfall verstrickt werden, führt von Großbritannien nach Mexiko und zurück. „Gina Davis und Susan Sarandon on speed“ haben bei dem Roadmovie „made in Britain“ das Potential zu einem echten Kinohit. „Doctors“-Regisseurin Jo Southwell ist bei JETS immer ein gern gesehener Gast. Geballte Lady-Power, attraktive Schauplätze und eine wendungsreiche Story mit psychologischen Untertönen könnten Garanten für eine schnelle Finanzierung sein.

Eher etwas für Genre-Liebhaber ist der Beitrag aus dem an Großbritannien angrenzenden Irland: „The Others“ (Produzent: Emmer Durcan, Regisseur: Jason Branagan, Budget: 1,2 Mio. Euro), nicht zu verwechseln mit Alejandro Amenábars gleichnamigen Mystery-Thriller von 2001, indem Nicole Kidman glänzte, ist ein komplexer, auch visuell abgefahrener SciFi-Horror-Film über einen „Anders-Wurm“, der aus dem Ohr eines erschossenen Opfers kriecht, dessen Kurzinhalt, ohne zu spoilern, nicht wiedergegeben kann. Erstaunlicherweise wird für das ambitionierte Unterfangen, bei dem H. P. Lovecraft (1890 – 1937), der Meister der phantastischen Literatur, genauso Pate stand wie der kanadische Regisseur David Cronenberg („Videdrome“, 1983, „Crimes of the Future“, 2022), ein relativ niedriges Budget veranschlagt. Wir drücken – wie auch allen anderen JETS-Teilnehmern – die Daumen!

Apropos Kanada: Das nach Russland zweitgrößte Land sucht für „A Nose for Trouble“ (Produzentin: Stephanie Sonny Hooker, Regisseur: Natty Zavitz, Budget: 5 Mio. Euro) einen Co-Produktionspartner. In der Komödie spürt der alternder Detektiv Ossler B. Mundsey einem vermissten Jäger in Norditalien nach. Basierend auf seinen eigenen Kurzgeschichten will Zavitz bei seiner Inszenierung vor allem auf rasante Verfolgungsjagden zwischen Villen und Weinbergen setzen, wobei der skurrile Humor selbstverständlich auch nicht zu kurz kommen soll. Der nordamerikanische Film Noir trifft hier auf europäische Filmkunst!

„Slay“ (Produzent: Daniel Perlman, Regisseur: Kelsey Egan, Budget: 1,4 Mio. Euro)

soll als actionreicher Thriller, der von Rache und Überleben erzählt, im pulsierenden Kapstadt spielen. Die Protagonistin Tamsin Sleigh ist tief in die Machenschaften mit den gewalttätigen „Lost Boys“, der am meisten gefürchtete Straßenbande der Metropole, verstrickt. Als sie Kokain für sich selbst zum Eigenverkauf abzweigt, tötet der skrupellose Anführer Emil Mraz ihre Mutter, eine Prostituierte. Tansim will Vergeltung. Vielfältige Charakterstudien stehen im Kontrast zur gnadenlosen Härte in einer (Unter-)Welt, wo alle gegen alle kämpfen. „Slay“ ist ein „hard boiled“ Thrliller, zugleich auch Sittengemälde und Coming-of-Age-Geschichte.

Gegensätze ziehen sich also wieder einmal bei JETS, das für Junior Entertainment Talent Slate steht, an. Die von von WEP Productions und dem JETS Filmverleih & Vertrieb organisierte und von HessenFilm und Medien, nordmedia, ÖFI Österreich, Telefilm Canada, NFVF Südafrika und FFF-Bayern geförderte Initiative, ist bei allen geschäftlichen Interessen ein multikultureller Ort der Begegnung, indem das Wort FILMKUNST nicht klein, sondern groß geschrieben wird. Und wer weiß: Vielleicht ist das eine oder andere Projekt nach seiner Realisierung demnächst auch bei der Berlinale, der großen Schwester von JETS, zu sehen.

Marc Hairapetian ist Freier Journalist (u.a. Frankfurter Rundschau, Berliner Zeitung) sowie seit seinem 16- Lebensjahr Herausgeber des von ihm begründeten Kulturmagazins Spirit – Ein Lächeln im Sturm https://spirit-fanzine.de